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432 Zeitschrift für Parapsychologie. 7. Heft. (Juli 1929.)
Ob übrigens Herrmann für diesen Punkt der geeignete Mann ist, darf mit
einigem Recht bezweifelt werden. Für ihn gibt es keinen Unterschied zwischen
übelstem Spiritismus, Okkultismus und dem, was man Parapsychologie nennt
Denn, wohlgemerkt, Parapsychologie im eigentlichen und wahren Sinne ist nur
das, was Herr Dessoir betreibt. Weiterhin werden die bis zum Ueberdruß erörterten
Versuchsbedingungen (Rotlicht, Kontrolle) mit recht wenig Verständnis
für die Ontogenesis der Phänomene kritisiert und der Taschenspielerkunst Dinge
zugetraut, die an Klinckowstroems bekanntes Fahrseil mit den beweglichen
Stahltuben erinnern. Kennzeichnend sind zwei Sätze auf Seite 57 (sinngemäß
gekürzt): „In fast jedem Falle konnte Dessoir den dem naiven Zuschauer (auch
Schrenck-Notzing? D. Ref.) verdeckten Vorgang des taschenspielerischen Tricks
aufdecken. Demgegenüber fallen die wenigen Fälle, wo er selbst keine Erklärung
findet, nicht ins Gewicht." — Wenn er von Schrenck-Notzing spricht, sagt er:
„Ein Forscher ... hatte ... diese teleplastischen Vorgänge beobachtet." (S. 59.)
Den Gipfel erreicht Herrmann allerdings, wenn er Dessoir Dank dafür sagt, daß
er „sich schützend vor die geistige Gesundheit des Volkes gestellt habe, das vor
dem Strudel einer unklaren Mystik und eines sehr trüben Ersatzes für eine lebensvolle
Religion bewahrt werden müsse." Auch für den Parabiologen dürfte es
neu sein, daß seine Wissenschaft sich mit der Entstehung und Erklärung der
okkultistischen Weltanschauungssysteme wie Astrologie (!), Chiromantie, Kab-
balistik, Theosophie usw. zu befassen habe. Es sollte dem Verf. eigentlich bekannt
sein, daß, so reizvoll solche Untersuchungen an sich sind, sie bei der
transzendenten Qualität der Probleme auf keinen Fall der Parabiclogie zustehen,
die zudem im Augenblick mit Dessoir, Moll u. a. wirklich genug zu tun hat. —
Was den Fall der Frau Günther-Geffers betrifft, so habe Dessoir übrigens unter
zwingenden Versuchsbedingungen nachgewiesen, daß hellseherische Fähigkeiten
mit hinreichender Genauigkeit nicht nachzuweisen wären. Wer über Dessoirs
Versuchsbedingungen orientiert ist, wird gern glauben, daß sie „zwingend"
waren.
Doch genug damit. Es sei festgestellt, daß Herrmanns Monographie wirklich
gut istj wenn man von einer solchen ein treues Bild verlangt. Und das ist
durchaus der Fall. — Prübusch, Berlin.
Was ist unser Leben? Vom Zellkern bis zum Leben nach dem Tode. Von
Dr. Emil August Glogau. Mit 5 Tafeln. (Sonderdruck aus Glogau,
Kraftwerk der Seele.) Abaz-Verlag, Berlin. 1929. 87 S. Preis geh. M. 2.—.
Die Beantwortung dieser Frage versucht das Buch, wie es im Vorwort heißt,
in der Synthese eines teleologisch tendenziert aufgefaßten Weltgeschehens und
der parapsychologischen und psychotherapeutischen Erfahrungen einer ideopla-
stiscnen Realisierung des Seelischen. Auf der Basis eines energetisch orientierten
Panpsychismus kommt Glogau zu dem Resultat, daß alles Leben von Strahlungsvorgängen
begleitet isi, die bei der Zellteilung, der Zeugung, dem Denkprozeß
als elektromagnetische oder radioaktive Hirnstrahlung konstatiert werden kann.
Im übrigen hält der Verfasser die Neubildung der Individualität nach dem Tode,
nach Zerstörung des Funktionsapparates der individuellen Seele, für unmöglich.
Prübusch, Berlin.
Lfehrbuch der wissenschaftlichen Graphologie. Von Nock Svlvus. Verlag
Reclam, Leipzig. 1929. Mit 32 Tafeln. Geheftet M. 1.20, gebunden M. 2.—.
Der Verfasser des Lehrbuchs genießt als Schriftsachverständiger einen ausgezeichneten
Ruf. In Anlehnung an die Indiv idualpsychologie von Adler u, a.
entdeckte er, daß sich sämtliche Handschriften in solche unterscheiden lassen,
deren Urheber lieber zentripetale (also auf den eigenen Körpermittelpunkt zu
führende) Gesten ausführen, und in solche, bei denen eine Vorliebe für zentrifugale
(vom eigenen Körpermittelpunkt wegführende) Ausdrucksbewegung feststellbar
ist. In dem vorliegenden Lehrbuch wird ein System gegeben, das auch
für den Laien zur Beurteilung von Handschriften durchaus brauchbar erscheint.
Man könnte nur Bedenken haben, ob nicht die Methodik des Systems an einer
etwas starken Kompliziertheit leidet, so daß die Uebersicht unnötig erschwert
wird. Indessen ist dies nicht allzu schwerwiegend, da wir hier ein ausgesprochenes
Lehrbuch vor uns haben, das ganz bewußt darauf verzichtet, einen nur
oberflächlichen Ueberblick zu bieten. Prübusch, Berlin.
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