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38 Zeitschrift für Parapsychologie. 1. Heft. (Januar 1930.)
von dort aus, vorläufig wenigstens, nicht zu holen sind. Hat man sich jedoch
nun einmal entschlossen, mit der Kant-Laplaceschen Hypothese jedenfalls zu
brechen und die natürlich weder Kant noch Laplace bekannt gewesenen Tatsachen
der modernen Biologie bei Formung eines Weltbildes mit zu berücksichtigen
(jede Zeit hat die Aufgabe, ihr Weltbild mit dem jeweiligen Stand
des Naturwissens in Einklang zu bringen, und wenn Erkenntnis im allgemeinen
allmählich fortschreitet, so wird auch das Weltbild aufeinanderfolgender Zeiten
im allgemeinen der Wahrheit immer näher kommen müssen), hat man sich entschlossen
, die durch eigentlich nichts berechtigte Anschauung, lebendige Kreatur
und physikalischer Kosmos seien zwei total verschiedene, überhaupt gar
nicht vergleichbare Welten, endgültig über Bord zu werfen1, so wird man,
wenn aus dem zeichnerischen Bild sichere Antwort nicht zu finden ist, auf
andere Weise weiterzukommen suchen, zumal man sich die Frage vorlegen
darf, ob denn überhaupt, biologisch gesehen, unter allen Umständen zu erwarten
ist, daß unsere Projektion des Kosmos auch eine wirklichkeitsgetreue
Lokalisierung aller seiner Teile im Raum garantiert. Wo Legt denn ^das
Sonnensystem, das wir bewohnen? Die Astronomen behaupten: mit anderen
seinesgleichen ungefähr im Zentrum des Ganzen (wenn auch heule seine Lage
meistern» nicht mehr ganz so zentral wie früher angesetzt wird). Nun braucht
der astronomischen Wissenschaft von heute noch nicht unbedingt alles geglaubt
zu werden. Ptolemäus war gewiß der klügsten einei zu seiner Zeit, seinen Irrtum
erkannte erst Kopernikus. Wenige lumpige hundert Jahre — noch keine
4o Pulsschläge, wenn dieser Organismus einen Puls hat — sind vergangen, seit
jener alte Irrtum korrigiert wurde. Die Wahrscheinlichkeit spricht nicht gerade
dafür, daß ausgerechnet das 20. Jahrhundert sich bereits im Besitz der
Erbweisheit glauben darf. Es wäre nicht ganz ausgeschlossen, daß die Astronomie
von heute, wenigstens soweit nicht das relativ gut durchforschte Sonnensystem
, sondern das Ganze des sichtbaren Kosmos in Frage kommt, ähnliche
grobe Irrtümer enthält. Aber immerhin, wie sehr auch noch bei so lernen Dingen
in der Astronomie — wie übrigens in allen Wissenschaften ohne Aufnahme
— Vorsicht geboten iat, so darf dies doch, zumal einfachste Ueberieg^uig
es zu bestätigen scheint, geglaubt werden, daß totsächlich das Sonnensystem zu
den zentral oder in der Nähe des Zentrums gelegenen Zellkomplexen des ganzen
Organismus gehört. Was pflegt denn nun im Schwerpunkt, im Zentrum eines
lebendigen Organismus zu liegen? Beim Menschenweib — dies steht fest —
die Keimdrüsen, und gewiß ist auch in einem sich entwickelnden, frühembryonalen
, zuerst sexuell noch nicht differenzierten Organismus der Schwerpunkt
der Entwicklung ebendort zu suchen (verschiebt sich allerdings nach der Differenzierung
beim männlichen Organismus). Es soll hier nicht darauf eingegangen
werden, daß das Sonnensystem nach Berechnung der Astronomen sich
i) Sie sind vielleicht so sehr oder so wenig vergleichbar wie etwa die Welt
der Spermien — von denen es übrigens, nach übereinstimmender Ansicht fast aller
Embryologen von heute, männliche und weibliche gibt — mit .dem Mikrokosmos
des ganzen Zellenstaates vergleichbar ist. Als man seinerzeit (allzu lange ist es
noch nicht her) die Spermien entdeckte, hat man zunächst überhaupt nicht glauben
wollen, daß man etwas vor sich habe, was zu dem Zellenstaat gehört.
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