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Zeitschrift für Parapsychologte. 1. Heft. (Januar 1930.)
materiellem Hintergrund von Tatsächliehkeiten, an die sie sich - um ein
anderes Bild aus der Natur zu gebrauchen — anklammern und festsaugen
wie sonst im Aether zerflatternde magnetische Kraftlinien an derbmaterielles
Eisen. In Wahrheil sind es daher weniger Phantasien als immer wieder
Analogieschlüsse (über deren Stärke oder Schwäche man verschiedener Meinung
sein kann), streng genommen sogar nur die Konsequenzen des einen, einzigen
Analogieschlusses, daß der sichtbare Kosmos ein lebendiger, beseelter Organismus
sei, daß, weil dies und dies und dies hier und dort, im Makro- und Mikrokosmos
, sich gleicht oder ähnelt, wahrscheinlich auch jenes und jenes und jenes
bei beiden sich gleich oder ähnlich verhalten werde. Bestätigt sich dieser Analogieschluß
durch zunehmende, vielfältige Erfahrung, so wird man in einer
nicht allzu fernen Zeit kaum noch begreifen können, daß es jemals möglich
war, eine so lange Litanei davon zu machen.
Der Boden der Wirklichkeit jedenfalls ist, wie ich glaube, hier nirgendwo
verlassen und der den Tatsachen geschuldete Respekt wissentlich niemals verletzt1
), der vor alten, ehrwürdigen Theorien und Weltanschauungen freilich
oft und arg genug. Ist aber das schon Todsünde? Ist die andere, umgekehrte
und, wie gerade die Forscher des Mediumismus am besten wissen, recht beliebte
Methode der Respektlosigkeit vor jungen Tatsachen bei blindem Gehorsam gegen
aitehrwürdige, nur durch ihr Alter ehrwürdige, Theorien und Weltanschauungen
etwa die bessere?
Der spiritistischen Hypothese scheinen die mediumistischen Materialisations-
phänumene, soweit sie so vorbildlich mit wissenschaftlichen Methoden geprüft
sind wie von v. Schrenck-Notzing, Crawford u. a., nicht zu bedürfen. Mögen
die Phänomene noch so seltsam sein, von gar nicht zu überschätzender Bedeutung
für alle naturwissenschaftliche Erkenntnis, besonders Physik und Psychologie
, immer wieder schaut hinter ihnen die Vorstellung und die — zuweilen
gespaltene — Intelligenz des Mediums deutlich hervor, eine in der Mehrzahl
der Fälle recht fragwürdige, oft geradezu armselige Intelligenz. Nach solcher
Geisterwell, nach solcher Art von Unsterblichkeit, in der so hahnebüchener Unfug
verübt werden darf, solche Albernheiten an der Tagesordnung sind, kann
unmöglich jemand gelüsten. Das wäre kein Aufstieg, sondern ein erbarmungswürdiger
Abstieg. Da gibt es doch bessere Arten des Fortlebens nach
dern.Tode. Wir alle, wie wir da sind, stellen ein unausdenkbar grandioses Stück
Unsterblichkeit dar; denn wir tragen in uns die Seelen von Millionen Ahnen.
Nicht eine einzige von ihnen ist aus uns fortzudenken. Wir wären sonst nicht.
Jeder hat es in der Hand, für diese Art von Unsterblichkeit zu sorgen. Der
Name Homers, Casars, Newtons, Goethes wird in hunderttausend Jahren gewiß
längst verschollen oder höchstens in vermoderten Folianten, die kein Mensch
mehr versteht, zu finden sein. Aber der Aermste der Armen, der heute eine
genügend große Nachkommenschaft in die Welt setzt, hat, wenn Selektion
seinem Geschlecht günstig ist, die Anwartschaft, selbst noch nach Millionen
*) Wo es so scheinen könnte, ist die hier gebotene Kürze schuld, die zunächst
nur Resultate mitteilen will, auf nähere Begründung und Auseinandersetzung mit
den möglichen Gegeneinwänden an dieser Stelle verzichtet.
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