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Kindborg: Ein überwältigendes Apportphänomen
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Wir standen alle unter dem Eindruck, das Großartigste erlebt zu haben,
was Menschen erleben können, und brachen, nachdem sich das Medium, und
zwar überraschend schnell, erholt hatte, die Sitzung ab. Das Medium selbst
hatte von dem Vorgefallenen keine Ahnung, beschrieb aber auf dem Nachhausewege
eine der Karten, die es nicht besichtigt hatte, hellsehend und bat sich diese
zum Andenken aus. Das geschilderte Ereignis steht fest wie ein „rocher de
bronce". Nur ein Pedant mag bemängeln, daß das Medium dabei nicht in der
Handkette war. Gerade dadurch war es von dem Orte des unmittelbaren Geschehens
erheblich entfernt. Wir anderen dagegen, die wir rings den großen
Tisch umgaben, hatten das Ereignis in unserer Mitte. Die Entfernung des
Klubsessels, in dem das Medium Platz genommen hatte, von dessen nächstem
Rande bis zum Tischrand betrug i,5om. Da aber das Medium sich stets in
die andere Ecke zu drücken pflegte, um den Oberkörper über die Sessellehne
hinaus auf die danebenstehende Chaiselongue zu legen, betrug seine Entfernung
vom Tischrand etwa 2 m. Bis zur Mitte des großen ovalen Tisches kamen,
noch 75 cm, bis zu dessen äußerstem Rande 1,70 m hinzu. Der gläserne Kronleuchter
hängt mit seinem untersten mittleren Knopfe 1,10 m über dem
Sitzungstisch. Dort etwa spielte sich die großartige Lichterscheinung ab, die
unser Erlebnis meines Wissens aus dem Rahmen aller bisherigen ähnlichen
Geschehnisse heraushebt. Ein Blitz auf der Varietebühne beweist natürlich
nichts. Aber ein Blitz in meinem Wohnzimmer, über meinem Tische, beweist
alles. War doch außerdem das Zimmer durch anderweitige Benützung bis zum
Sitzungsbeginn unter ständiger Kontrolle, obwohl ich dies, da nur unser vertrauter
Kreis, kein Fremder, zugegen war, nicht erst hervorzuheben brauchte.
Das Medium selbst überdies war, wie immer, als letzte gekommen.
Der Kuriosität wegen habe ich nach der Sitzung versucht, ein Dutzend
Postkarten durch Werfen von irgendeiner Stelle aus gleichmäßig über den
Rand des Tisches zu verteilen. Es hat sich gezeigt, daß dies für einen gewöhnlichen
Menschen unmöglich ist. Geworfene Karten flattern und fallen im
Klumpen nieder. Bei dem geschilderten Vorfall waren sie dagegen einzeln,
lautlos schwebend wie welke Blätter, her niedergekommen. Vor allem beachte
man aber auch den grandiosen geistigen Aufbau der Handlung. Ein Verstorbener
erscheint dem Medium im Traum; dies ist der Beginn der geistigen
Fühlungnahme außerhalb der Sitzung. In der Sitzung selbst kommt dies erst
durch einen anscheinenden Zufall durch Einwirkung einer anderen Person zur
Sprache. Sofort sucht sich der Verstorbene durch Angabe von Einzelheiten,
über seine Person und Familienverhältnisse auszuweisen. Diese Angaben, die sich
nachträglich noch vermehrten, sind später nachgeprüft und, soweit überhaupt
noch feststellbar, bestätigt worden. Er spendete einem der Teilnehmer, der
dessen bedurfte, Trost und Rat, und zwar in einer der Eigenart des Falles angepaßten
Weise. (Die Darstellung, die Herr Seit gibt, könnte leicht den Eindruck
erwecken, als ob es sich nur um allgemeine religös gefärbte Redensarten
gehandelt hätte; die Ratschläge waren aber durchaus persönlich-reale. Im
übrigen sind sie, soweit ich sehen kann, zum offenbaren Nachteil dessen, den
es anging, nicht befolgt worden.) Um einen vollendeten Beweis seines Ein-
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