http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0262
236
Zeitschrift für Parapsychologie. 4. Heft. (April 1930.)
Arbeit dieses nach den Presseurteilen wissenschaftlich arbeitenden Hellsehers
zu verschaffen.
Ich erbat von Moecke einen Besuch. Da ich ihn nicht kannte, war ich
überrascht, in ihm nicht die erwartete Erscheinung des ätherischen Astralmenschen
zu sehen, sondern eine beim ersten f tüchtigen Blick durchaus normale
, breitbrüstige, gedrungene Gestalt eines Preisboxers. Moecke war nach
einem offenbar regen Arbeitstag bei diesem abendlichen Besuch etwas erschöpft
; aber er benahm sich ohne jede Prätension durchaus natürlich, wie
ein Mensch und Arbeiter unserer Zeit. Wir wollten nun diesen Tag nicht experimentieren
, sondern lediglich uns etwas nähertreten und die Anordnungen
für den nächsten Tag besprechen. Während wir mit meiner Frau und einigen
Bekannten bei einer Tasse Tee saßen und ein ziemlich konventionelles Gespräch
führten, meinte Moecke plötzlich, auf den Ring meiner Frau weisend:
„Ein sehr schöner Ring ... stammt von ihrer Schwiegermutter___eine große
Frau ... mit weißem Haar ... sehr korrekt ... hält viel auf Form ... trug
stets Kleider mit hochgeschlossenen Börtchen ... und oben tune Brillantbrosche
... r
Ich war etwas verblüfft, denn tatsächlich hatte diesen Ring meine Mutter
getragen und stimmte das Signalement meiner verstorbenen Mutter aufs Haar.
Nun hatte ich „Blut geleckt" und konnte es nicht lassen, Moecke über eine
Bekannte, die ich seit Jahren behandelte, zu befragen, ob er fühle, was dieser
Dame fehle. Moecke stand einen Augenblick vor der sitzenden Frau, griff
sich dann in den Unterleib und sagte: „Linker Eierstock ... starke Schmerzen
... Blase tut weh ... ist aber besser geworden . .. Sie haben Fehlgeburten
gehabt ... i oder 2
Auch auf diesen Bericht stimmten iooo/o. Zu erwähnen ist, daß die Dame
mir bisher alles freimütig gesagt, jedoch die Fehlgeburten verschwiegen hatte.
Sie suchte sich auch jetzt noch darum herumzudrehen, mußte sie aber schließlich
zugeben.
Wir machten dann noch das „P ulsexperiment": Ich faßle den Puls
meiner Frau, Moecke stellte sich entfernt von uns weg, die Augen abgewandt,
mit der Hand exakt den Rhythmus des Pulses, den ich hielt, schlagend. Ob-
schon ich natürlich manche telepathische Experimente mitgemacht und z. B.
bei dem Hellseherprozeß der Hellseherin Gern von Lauflingen ,
der vor dem Schwurgericht in Hechingen verhandelt wurde, als ärztlicher
Berichterstatter mitgewirkt habe, verblüffte mich doch die Präzision und
Leichtigkeit, mit der Moecke diese Autorapporte brachte.
Wenn ich heimlich anderswohin als nach dem Puls faßte, um M. zu prüfen,
sagte er, der uns den Rücken zukehrte, dies sofort.
Am nächsten Morgen war ich pünktlich mit meinem festgelegten Programm
und einem kritischen Zeugen bei Moecke in seinem Stuttgarter Hotel.
Ich wollte mir einmal meine eigene Existenz, meine geistige und physische
Konstitution von dem besonderen Standpunkte des Hellsehers aufbauen und
durchleuchten lassen. Ich will an Hand meiner Aufzeichnungen den Verlauf
der Sitzung wiedergeben, soweit es nicht allzu persönliche Dinge sind.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0262