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Wolf: Meine Experimente mit Max Moecke

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Ich zu Moecke: „Sehen Sie die Gestalt meines Großvaters?"
Moecke: „Väterlicher- oder mütterlicherseits?"
Ich: „Väterlicherseits!"

Moecke (sofort): „Ein kleiner Mann, mit grauem Backenbart .....

Pflanzenliebhaber ... hat Herbarien, die er in einem großen Schrank aufbewahrt
... Viel mit Pferden zu tun ... Es kommen sehr viel Leute zu ihm. .
(Plötzlich stockend ... mich ansehend): Er liegt über dem Bett ... die Hand

hängt heraus___Blut fließt aus seinem Mund ... (erregt): Das Gesicht ist

ganz mit Blut beschmiert ... Was ist denn das ... Ich sehe noch eine kleine
Frau, auch die liegt angezogen im Bett ... Ist sie denn tot?"...

Ich dazwischenfallend: „Woher wissen Sie das? Das stimmt ja
alles, mein Großvater ist mit einer Axt erschlagen worden, war eine Art
Wundermann, hatte eine Heilhand, große Landwirtschaft, viel mit Pferden zu
tun, außerordentlicher Pflanzenliebhaber, Sammler von Heilkräutern, hatte
enormen Zulauf von Kranken, die er umsonst behandelte, wurde dann mit
seiner Frau von einem Epileptiker mit der Axt erschlagen."

Moecke: „Schade, daß Sie mir das sagen! Das mit der Axt hätte ich
finden müssen."---

Es ist verständlich, daß icb mich durch diesen krassen Fall aus meiner
nächsten Verwandtschaft und diese für mich so überraschende Präzision
etwas aus der Fassung bringen ließ.

Wir machten jetzt aus, daß ich während der Experimente weder „ja"
noch „nein" sagen, weder zustimmen noch ablehnen solle, daß ich mich
durchaus neutral verhalte.

Moecke reproduzierte nun die Statur und auch die geistige Konstitution
meiner Eltern in großer, fast photographischer Treue, er enthüllte
auch das innere Schicksal meiner verstorbenen Eltern, die Art ihres
Zusammenlebens derart, daß mir manche Züge meiner Mutter
auf einmal erst verständlich wurden. Ich stimmte ihm weder
zu, noch sagte ich nein. Danach geriet Moecke jetzt in volle Fahrt, er wurde
warm und reproduzierte jetzt fast ohne Fragen alles, was mich selbst
in den letzten Jahren bewegt hatte. Hierunter klare Details, die er von sich
aus nicht wissen konnte, die auch in meinem Wachbewußtsein zur Zeit scheinbar
keine Rolle spielten. So sagte er plötzlich: „Ihr kleiner Junge ist ein lieber
Kerl ... ein Komiker ... er wird sich durchsetzen . ..; aber der Große ist
schwierig, da müssen Sie achtgeben ... Uebrigens hat er sich den rechten Arm
gebrochen ... es war im Winter ... Geben Sie acht auf ihn .. .1"

Tatsächlich hat mein Sechsjähriger in diesem Winter beim Modeln den
rechten Arm gebrochen!

Diese Art des Gedankenlesens ist ja keineswegs etwas Neues. Mich verblüffte
auch mehr die Leichtigkeit und fast iooo0 Präzision, in
der es geschah. Es sind von dem Erraten der Gedanken einander
nahestehender Menschen, wie dem Wissen um die Ankunft eines Briefes bei
Liebenden bis zu Moeckes Virtuosität eben solche Stufen
wie die Gradunterschiede zwischen einem Anfänger im


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