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Zeitschrift für Parapsychologie. 4. Heft. (April 1930.)

Auch Jesus hat solche Blicke in die Zukunft gehabt, wenn er etwa die
Zerstörung des jüdischen Tempels ankündigt oder seinen Jüngern die Szene
vor Augen malt, wie sie einen Esel finden und erhalten werden, den er für
den Weg nach Bethanien und Jerusalem als Reittier benutzen wird, oder wenn
er — nach der Darstellung des Matthäus (21,19) — andauernde Unfruchtbarkeit
des früchtelosen Feigenbaumes ankündigt. Die beiden letzteren Fälle
scheinen Belanglosigkeiten zu sein und haben doch ihren hohen typischen Wert.
Freilich sind Jesu in seinen Prophezeiungen auch Selbsttäuschungen mit untergelaufen
, nämlich dann, wenn er nicht auf Grund unmittelbarer Inspiration
gesprochen, sondern sich kraft seines messianischen Bewußtseins verpflichtet
gefühlt hat, die noch ausstehende Erfüllung wirklicher oder angeblicher messia-
nischer Weissagungen des Alten Testaments anzukündigen. Ich weise hin auf
seine Worte von seiner baldigen Wiederkehr auf des Himmels Wolken, mit
der dann das Weltgericht, die Auferstehung der Toten und die Aufrichtung
eines Gottesreichs der Vollendung unmittelbar verbunden sein sollten, alles
Weissagungen, die sich nicht erfüllt haben. Für den objektiven Wert einer
Vorhersage von Zukünftigem gibt es eben auch den höchsten religiösen Autoritäten
gegenüber nur ein Erkennungsmittel, — daß das Vor hergesagte eintrifft.

Es fragt sich nun aber, ob wir im Urchristentum nicht noch weitere und
vielleicht doch noch wichtigere Spuren für das Hineinragen einer Ueberwelt
in diese irdische haben als die soeben besprochenen. Vier außerordentliche Ereignisse
sind, wenn ich recht sehe, für die Geschichte des ältesten Christentums
von grundlegender Bedeutung gewesen, das Tauferlebnis Jesu selber,
die Erscheinungen, die sein engster Jüngerkreis nach seinem Tode
auf seine Auferstehung deutete, die Damaskuserfahrung, die ein Paulus
auf diese Auferstehung gedeutet hat, und das P f i n g s t erlebnis der Apostel.

Das erstere, Jesum selbst betreffende Geschehnis ist wohl nicht immer
nach seiner ganzen Tragweite gewürdigt worden. Man hat an eine verklärende
Tendenz der Legende gedacht, die das Demütigende, das in der Taufe Jesu
lag, dadurch habe in den Schatten stellen wollen, daß sie hier die Stimme
Gottes, den heiligen Geist, eine Taube und selbst das Himmelsgewölbe in Bewegung
setzte. Man bedenke aber, daß Jesus bis zu seinem dreißigsten Jahre)
etwa als schlichter Handwerker in einer abgelegenen galiläischen Stadt gelebt
u/id sich weder als Wundertäter noch als Laienprediger irgendwie hervorgetan
hatte. Wenr er sich dann plötzlich zum Messias, zum Lehrer des Volkes, zum
erfolgreichen Heiler berufen fühlte, rasch Aufsehen erregte und einen großen
Anhang im Volke fand, so ist ein solcher Umschwung ohne ein oder mehrere
seelisch sehr tiefgreifende Erlebnisse nicht denkbar; und hätten wir nicht die
Ueberüeferungen von den wunderbaren Erfahrungen bei der Taufe — vielleicht
gehören auch die Kämpfe mit dem Satan in der Wüste hierher —, so müßten
derartige Ereignisse des Seelenlebens geradezu vorausgesetzt werden!

Man kann sich dies Tauf erlebnis bis zu einem gewissen Grade psychanalytisch
verständlich zu machen suchen: Jesus kommt zur Büß taufe, weil
er in seiner Demut alle Gedanken, die ihn auf seinen höheren Beruf wiesen, als
lästerlichen Hochmut gewaltsam unterdrücken will, aber im Moment dieser


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