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Zeitschrift für Parapsychologie. 5. Heft. (Mai 1930.)
Doch im folgenden handelt es sich nicht um physikalische Phänomene,
an die Hyslop kaum glaubte, sondern um die ubernormalen in spiritistischer
Fassung auftretenden Mitteilungen von Frau Chenoweth, über die Hyslop mehrere
dicke Bände geschrieben hat1). Ueber kein anderes Medium dieser Art,
nicht einmal über Frau Piper, gibt es eine so lange Reihe vollständiger stenographischer
Protokolle, die fast alle von Hyslop selbst aufgenommen, jede
Bemerkung des jeweiligen Sitzers, Hyslops und des Mediums enthalten; ja sogar
jedes Stöhnen des Mediums wird vermerkt und jedesmal! wenn der automatisch
schreibenden Hand Frau Chenoweths der Bleistift entfällt, notiert dies Hyslop.
Gewiß macht das die Lektüre dieser Berichte zu einer herben Arbeit und
vielleicht wurden sie eben deshalb so wenig beachtet; dafür erlauben sie,
jeden Wink, der dem Medium etwa unbeabsichtigt gegeben wurde, festzustellen;
nirgends ist der ganze Verlauf solcher Sitzungen lückenloser dargestellt; wer
sich für die Einzelzüge und die intimere Psychologie der Vorgänge interessiert,
findet hier die reichste Quelle des Studiums2). Wie von Frau Piper wurden
auch von Frau Chenoweth die Botschaften ursprünglich gesprochen; erst viel
später trat bei beiden an die Stelle des automatischen Sprechens automatisches
Schreiben; dieses wie übrigens der ganze Trance von Frau Chenoweth glich sich
stark demjenigen Frau Pipers an, als ein Mitarbeiter Hodgons bei den Piperuntersuchungen
, mit Frau Chenoweth eine Sitzungsreihe abhielt. Wie bei Frau
Piper traten dann auch bei Frau Chenoweth die Kontrollgeister Hodgson und
Georg Pelham auf, sowie Rector, Imperator, Prudens usw., die Frau Piper ihrerseits
von dem Medium Stainton Moses übernommen hatte. Diese Uebertragung
der Kontrollgeister von einem Medium zum andern scheint dafür zu sprechen,
daß sie im wesentlichen ein Suggestionsprodukt und keine selbständigen Geister
sind; zumal die Kontrollgeister von Stainton Moses, die sich angeblich unter den
Pseudonymen Rector, Imperator usw. verbargen, als sie sioh durch Frau Piper
äußerten, nicht in der Lage waren, ihre Stainton Moses mitgeteilten wahren
Namen anzugeben (Englische Pr. i4 S. 36 f.). Die Leistungen von Frau Chenoweth
sind sehr unterschiedlich, bald so schlecht, daß man an ihren Gaben zweifeln
möchte, bald so glänzend, daß man geneigt ist, die spiritistische Hypothese
als erwiesen anzusehen. Wie fast alle Medien bricht sie ihre Sitzungen
nicht ab, wenn ihre Kräfte offenkundig fehlen; sie sucht dann durch vage Andeutungen
aus dem Besucher brauchbare Mitteilungen herauszulocken (man
nennt dies „Fischen"), oder sie hilft sich durch deutliches Raten. Dasselbe
x) Immerhin scheint Frau Chenoweth gelegentlich Phänomene erlebt zu
haben, die an Eleonore Zuguns Hautphänomene erinnern. (Amer. Pr. 14, S. 92.)
2) Die wichtigsten derjenigen Publikationen Hyslops, in denen Frau Chenoweth
eine Hauptrolle spielt, sind: Am. S. P. R Proceedings, Bd. III, Teil 1, 1909
(600Seiten); A case of veridical hallucinations (Fall Thompson. Bd. VI, 976Seiten;
A Record of experiments. Bd. VII, Nr. 3; A case of Musical Control (S. 429—569),
The Doris Case of Multiple Personality, 3. Teil, Bd. XI (S. 1—866). Cross
reference experiments for Mark Twain, Bd. XIV (S. 1—225). The Chenoweth-
Drew automatic Scripts., Bd. XV (S. 1—188). The mother of Doris (Herausgegeben
von W. F. Prince), Bd. XVII (S. 1—216. A further record of mediumistic
experiments, Bd. XIX, 1925 (455 Seiten). Hierzu treten eine lange Reihe kürzerer
Arbeiten in den Bänden des Journals der American S. P. R. (Im Text wird
das Wort „Proceedings" stets durch „Pr." abgekürzt.)
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