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Sechstes Heft
juni 1930
Experimentelles.
Ein Versuch mit Frau Plaat«
Von Dr. Martin Wagenschein (Gießen).
Im Sommer 1926 besuchte ich Pompeji und hatte auch Gelegenheit, erst
vor kurzem ausgegrabene Häuser zu betreten, die noch nicht allgemein zugänglich
waren. In einem von ihnen sah ich in einem Winkel einige menschliche
Gebeine liegen. Einen Wirbelknochen hob ich auf und nahm ihn mit.
Er ist klein, gelblich und leicht, und hat einen schwachen süßlichen Geruch,
den die meisten Menschen, denen ich den Knochen zeigte, als widerlich empfanden
. Ich bewahrte ihn einige Jahre auf in einem kleinen Kasten aus Birkenholz
, zusammen mit einer altägypiischen Kett<» und einigen Muscheln.
Später kam ich durch die Lektüre von Dr. Sünners Abhandlung über
die psychometrische Begabung von Frau Lotte Plaat, auf den Gedanken,
diesen Knochen zum Gegenstand einer psychometrischen Erfühlung zu machen.
Er schien mir ein besonders interessantes Objekt zu sein aus folgenden Gründen:
1. Er war „Zeuge" eines katastrophalen Geschehens. (Die Wahrscheinlichkeit
, daß der Mensch, dem der Knochen angehörte, kurz vor Verschüttung
der Stadt in diesem Hause eines natürlichen Todes starb, ist äußerst gering.)
2. Dieses Geschehen liegt sehr lange Zeit zurück,
3. Inzwischen hat der Knochen nichts „erlebt" außer der Yusgrabung und
dem Aufenthalt in meinem Kasten. Der störende Einfluß anderer Geschehnisse
ist also gering und übersehbar.
Im April 1929 wandte ich mich brieflich an Frau Plaat (die mir bis jetzt
persönlich nicht bekannt ist). Sie war so freundlich, sich zu einem Versuch
bereit zu erklären.
Das Ergebnis war zwar nicht ein eklatanter Erfolg. Doch ist die Zeit
vorüber, wo nur die überwältigend posithen Phänomene für die Parapsycho-
logie von Interesse sein konnten, die Zeit, in der es sich vor allem um d<»n
Exi ste nz beweis der okkulten Erscheinungen handelte. Für die meisten
von ihnen ist dieser Beweis heute gelungen, es handelt sich schon um Deutunir
und Theorie, und hierfür können gerade gestörte, halbdeuliiehe Phänomene
brauchbar werden, zumal wenn sie von Medien herrühren, deren positive Leistungen
so gut verbürgt sind, wie die von Frau Plaat. In dieäem Sinne teile
ich das Ergebnis des Versuches hier mit ah Material.
Da ich Frau Plaat nicht besuchen konnte, mußte ich ihr den Knochen
schicken. Ich gab ihr keinen Hinweis über die Art des Gegenstandes und versuchte
sogar, es so einzurichten, daß der Knochen sich Wohl anfühlen ließe,
nicht aber als Knochen oder gar Wirbelknochen erkennbar wäre. Ich baute ihn
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