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Wagenschein: Ein Versuch mit Frau Plaai
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zusammengelegen habe und von diesen das übernommen habe. Jedenfalls
wäre es mehrerer Menschen Schicksal, das sie erfühle."
Frau Kufferath fügte in einem Begleitbrief hinzu: „... wohingegen da9
Feuer neu war, das sie mit großem Entsetzen und Angst im Gesicht immer
wieder sah."
Zu weiteren Versuchen konnte Frau Plaat sich leider nicht entschließen:
„Es war mir eine Qual, ihn in Händen zu haben, da soviel Unangenehmes
daran hängt."
Zum Vergleich erschien es mir wichtig zu erfahren, wieviel dem Knochen
von einem Fachmann ohne weiteres anzusehen wäre. Auch war es ja nicht
ausgeschlossen, daß ich in Pompeji einen Tier wirbelknochen gefunden hatte,
und vielleicht konnte man feststellen, ob der Knochen einem Manne oder einer
Frau angehörte. Herr Prof. F. Weidenreich vom Institut für Physische
Anthropologie der Universität Frankfurt a. M. hatte die Freundlichkeit, sich,
ohne einen Hinweis über die Herkunft des Knochens erhalten zu haben, .über
ihn zu äußern. Seine Diagnose lautet:
„Der Knochen ist der lädierte sechste Halswirbel eines menschlichen
Individuums. Alter und Geschlecht sind mit Sicherheit nicht bestimmbar, es
kann nur gesagt werden, daß es sich um ein kleines bzw. zierliches Individuum!
handelt (Frau oder Junge). Auch über das Alter des Knochens sind bestimmte
Angaben unmöglich. Da der Knochen sehr leicht ist und etwas klebt, jist die
organische Substanz weitgehend zerstört; es dürfte sich daher um einen Knochen
handeln, der lange in der Erde lag, d. h. er könnte der vorgeschichtlichen
Zeit angehören."
Frau Plaats Eindrücke sind so sprunghaft wechselnd, daß für die endgültige
Beurteilung nur diejenigen Komplexe Beachtung verdienen, die entweder
hartnäckig wiederkehren, oder mit besonderer Intensität sich geltend
machen. Das sind folgende:
1. Der unangenehme, abstoßende Gesamtcharakter dessen, was der Knochen
wachruft. Er scheint die Ursache zu sein, daß ein dauernder Kontakt nicht
bestehen bleibt.
2. Die Person des „Schwarzen", des Mannes mit dem gelben Gesicht, in der
sich dieces Unangenehme konzentriert.
- 3. Die lateinische Sprache. Die fremde Sprache taucht sofort auf, schon
bei der ersten flüchtigen Untersuchung. (Ich selbst gebrauche fremde Sprachen
nur als Mittel und selten.) .
4. Der Klosterhof, in dem der Knochen gefunden sein soll.
5. Die katholische Atmosphäre (Bekreuzigung, Mönche).
6. Das Feuer. Zwar werden noch andere Todesarten angetastet: Köpfen
(Griff an den Halswirbel; vgl. die wissenschaftl. Diagnose), Sturz vom Pferd.
Das Feuer ist die intensivst erlebte. Die letzte Erwähnung von Gift und das
Abweisen des Rauchgeruches mutet an, wie ein Ausgleiten vor der Erschöpfung.
7. Kennzeichen des Tumultes: Stimmengewirr, Waffengetümmel, Menschengewühl
, Schreien.
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