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ganze Haus müsse zusammenlaufen und war weg. Der Schrei war von meiner
Nichte gehört worden. Als er später wieder kam, nannte er sich Reinhard und
gah an, aus einer Schublade im Schlosse öfter Geld gestohlen zu haben. Es
scheint ein ehemaliger Diener gewesen zu sein. — Auch eine gewisse Irmingard
M. erschien mir öfter. Schließlich stellte ich fest, daß es eine unserer Ahnen
gewesen war. — Am 21. Mai begegnete ich auf dem Wege zum Schloß dem
verstorbenen Dr. G., der in den achtziger Jahren auf der Jagd vom Schlage
getroffen war. Ich erkannte ihn gleich, er kam auf mich zu und streckte mir
die Hand entgegen, sah ganz menschlich aus. Ich konnte mit ihm nichts
machen, weil ich nicht allein war.
16. Dezember. Hatte die drei Wochen in München auch keine Ruhe.
Gleich am zweiten Tage sah ich eine Frauengestalt auf mich zukommen mit
gerungenen Händen, schmerz verzehrt. Sie kam nun jede Nacht in fast unerträglicher
Weise. Sie muß eine Magd gewesen sein. Sie heißt Anna und hat
nicht viel verlangt. Dann sah ich in München noch etwas Merkwürdiges.
Ich war im Haus des berühmten L ... mit Bekannten. Auf einmal während des
Essens stand L., der Verstorbene, vor mir, aber ganz abscheulich wie ein Tier.
Er war sehr deutlich zu erkennen. Ich kannte ihn ja ganz gut im Leben.
Ich war so erschrocken, daß man es merkte und mich fragte, ob mir nicht
gut sei. Ich schaute nicht mehr hin, war mir aber seiner Gegenwart bewußt.
Nach dem Essen konnte ich ihn noch sehen. — Am 27. Dezember kam während
meines Aufenthaltes in München der verstorbene Pater Odilo R...
0. S. B. in sehr traurigem Zustand zu mir. Er war Prediger in der Basilika
in München und lange mein Religionslehrer. Er kann noch nicht reden.
Seine Traurigkeit geht mir sehr nahe, denn ich habe ihn sehr gern gehabt. —
i5. Januar 1925: Pater Odilo kommt immer noch, auch öfter am Tage. —
29. Januar: Pater Odilo kann nun reden. Ich: „Wie kann ich denn endlich
helfen?" Er: „Bete weiter!" Ich: „Kann gar nicht verstehen, daß du noch
nicht selig bist!" Er: „Der geistige Hochmut hat mich einsam gemacht!"
Ich: „Aber all das Gute, das du getan?" Er: „Hat mich gerettet!" Ich:
„Gehst du auch noch zu anderen deiner Schüler?" Er: „Nein! Sie sollen für
mich beten." — 1. Februar: Pater O. war den ganzen Vormittag bei mir,
sieht wirklich wie lebend aus. — 11. Februar: Pater O. lange da. Ich: „Wirst
^du noch lange kommen?" Er: „Nein!" Ich: „Bist du erlöst?" Er: „Noch
nicht, doch sehe ich klarer und gehe dahin, von wo ich nicht mehr kommen
darf. „Ich* „Kannst du mir sagen, ob alles so ist, wie du mir gelehrt hast?"
Er: „Ja, doch Menschenzungensprache ist Stückwerk für das Heiligste!"
Am 18. März hörte ich furchtbar schluchzen und konnte lange nichts
sehen. Endlich löste sich aus dichtem Nebel die Gestalt von Pfarrer N. Ich
wußte gar nicht, daß er gestorben war. Er ist im einem gräßlichen Zustand.
Er war mir immer so zuwider, daß mir sein Gesicht unvergeßlich ist. Der
Arme tut mir jetzt doch leid. — Am 11. Juli kam zu mir ins Oratorium ein
Mann und kniete neben mir nieder. Ich war sehr erschrocken und ging
hinaus, er mir nach. Ich: „Was wilJst du von mir?" Er: „Liebe." Ich:
„Die wilJ ich dir geben, wenn du mir sagst, wer du bist." Er: „Du hast mir
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