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Günther: Stigmatisationen, beobachtet an H. Melzer.
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len, indem sie durch die, der Therese erteilte Suggestion, jene Wundmale
erzeugen, um auf denjenigen hinzuweisen, dessen Lehren in der heutigen
Zeit von der sogenannten „Kultürmensohheit" kaum noch befolgt werden. Ihr
Wollen wäre ja gut, aber jeder Weg zur Erreichung ihrer Pläne erscheint
ihnen recht, ob ihre Mittelsperson darunter leiden muß oder gar sterben, das
ist ihnen gleich: ad majorem Dei gloriam!
Doch sei dem wie ihm wolle, ich habe vor allen anderen Dingen zu erklären
versucht, wie und auf welche Weise Stigmatisationen entstehen können
, und auf welchem Wege ein besonderes Studium über die Stigmata in die
Wege geleitet werden könnte. Es wäre vielleicht von größter Tragweite, wenn
es einmal gelänge, die Trancepersönlichkeit, die sich Franz von Assisi
nennt, längere Zeit im Medium zu fesseln, vielleicht einmal während zwei
Stunden? Vielleicht erschienen dann auch noch die Wundmale der Dornenkrone
und des Lanzenstiches in der Seite? Unsere Forscher auf dem Gebiete des
Okkulten gehen meistens ungemein einseitig und ununterrichtet an die Dinge
heran. Sie verschwenden eine Unmenge Zeit mit allerhand unwichtigen Nebensächlichkeiten
, verpassen dadurch viele Gelegenheiten, die sich ihnen bieten und
bleiben an der Oberfläche haften, anstatt lieber in die Tiefe zu schürfen. Sie
ahnen noch gar nicht, was alles in den Sitzungen aus einem guten Medium
herauszuholen ist! Ihr Bestreben ist es, alle okkulten Erscheinungen lieber
durch die verzwicktesten Auslegungen rationalistisch-mechanistisch zu erklären
als eine primäre Seele und ein Weiterleben derselben nach dem aogenannten
,,Tode" zu glauben oder feststellen zu wollen. Ist doch bei so vielen okkulten
Erscheinungen die Erklärung derselben durch ein Hineinragen einer Jenseitswelt
in die unserige, die wenigstens — ungezwungenste — Erklärung!
Um nun zum Schlüsse noch einmal auf die Stigmata Melzers zurückzukommen
, so war sein Körper vollständig imBesilz jener I rancepersönlichkeit des
Franz von Assisi. Da eine Beeinflussung \on menschlicher Seite nicht
stattgefunden hatte, ein Jenseitiger die Seele des Mediums aber nicht beeinflussen
konnte, da dieselbe durch Franz von Vssisi *\erdrängt war, so
entstanden — meiner Meinung nach - jene Stigmata bei Mel/er dadurch
, daß Franz von Assisi in dem, \on Melzer erborgten Korper
, den er wie seinen früheren eigenen beherrscht, auf auto^uggestivom
Wege jene ^ undmale erzeugte, wie zu Lebzeiten an seinem eigenen.
Zur Bewahrheitung der Stigmatisation Melzers folgt ein Brief Dr. med.
Degenhardts, in welchem er das von ihm beobachtete Ereignis schildert:
Wiesbaden, November 19**9.
,,In der im Juni J939 bei Frau Seh. .. abgehaltenen Sitzung hah ich
erstmalig das Medium Herrn H Melzer. Bald nach Beginn der Sitzung beobachtete
ich in beiden Handtellern des Herrn Melzer kleine rote Flecke. Ich
nahm zunächst an, diese Flecke seien Druckstellen von d»n Seitenlehnen des
Korbsessels herrührend, in dem Herr Melzer saß. Etwas später ging ich wahrend
der Sitzung an Herrn Melzer heran und sah nun bei heller elektrischer
Beleuchtung im rechten Handteller einen lins^ngroßen Fleck, im linken Hand-
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