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366 Zeitschrift für Parapsychologie. 6. Heft. (Juni 1930.)
Die Stimmen reden in einer Sprache, die wir nicht verstehen. Sogar der
Zaubermann versteht das meiste nicht. Er weiß nur, daß sie in fremden Zungen
reden und daß es nicht die Geister sind, nach denen er sucht. Es gab
nur vier Geister, die unser Zaubermann, Weißer-Hund, verstand. Von einem
weiß ich noch den Namen, er hieß „Erster-Weißer-Mann". Und jenen Namen
hatte unser Zaubermann jahrelang gekannt, ehe unser Stamm wußte, daß es
wirklich weiße Männer gab.
Die Stimmen klagen in das Zelt herab, aber der Zaubermann weist sie
eine nach der anderen zurück und fordert beharrlich einen der vier Geister,
die er versteht. Es dauert manchmal viele Minuten, ehe er erreicht, was «r
will. Ich erinnere mich an eine oder zwei Sitzungen, wo es ihm gar nicht
gelang, seine Geister zu beschwören, und die Zauberhandlung ohne Ergebnis!
abgebrochen werden mußte.
Erreichte er jedoch den Geist, den er suchte, so wurde er Äußerst erregt
und redete so schnell, daß wir kaum hörten, was er sprach. Es schien, als
müsse er sich beeilen, um alles vorzubringen, ehe der Geist wieder schwand.
Wollte er einen Kranken heilen, so wurde nun der Kranket, der im, Zauberzelte
dabei lag, ebenfalls sehr erregt; wir sahen schon solch einen auf den Tod
kranken Menschen aufstehen und umhergehen. Wollte der Zaubermann irgendeine
Auskunft, so stellte er seine Fragen in kurzen selbsterfundenen Gleichnissen
und erhielt die Antworten von den Geistern auch wieder in dunklen
Gleichnissen, deren Sinn uns später erst erklärt werden mußte. Eis war zwar
unsere Sprache, aber sie war so gestellt, daß wir sie trotzdem nicht verstanden.
Dazu war es noch die altertümliche Form unserer Sprache, wie sie vor langer
Zeit gesprochen worden war; nur unsere ältesten Leute verstanden einen Teil
der Worte und Wendungen.
Aber was uns Buben an der Zauberhandlung erschreckte, kam erst zum
Schlüsse der Geisterbesprechung.
Die Besprechungen endeten auf mancherlei aufregende Weise, immer aber
begleitete den letzten Teil ein heulender Wind, der über das Zelt hinfuhr,
sowie die Geister zu reden aufhörten. Das große Zauberzelt schwankte und
zitterte unter dem Druck dieses Windes. Es pfiff und schrie in den Spitzen
der Zeltstangen, daß wir alle vor Angst bebten. Die Aufregung steigerte sich
zum Höhepunkt. Ein gewaltiger Wirrwarr von Geräuschen kam von oben
nerab — von der runden oberen Oeffnung des Zeltes, wo die Zeltstangen in die
Nacht hinausragten. Seltsame Stimmen kreischten ein grausiges Ilöllenkonzert
mit dem Heulen des Windes. Es klapperte und klirrte, wir wußten nicht wovon.
Dann ein plötzlicher Stoß, der durch das ganze Zelt fuhr, ein Aufflackern der
Flamme, ein furchtbarer Schrei des Zaubermannes, und dann ...
Dann verschwand er vor unseren Augen. Jedoch im selben Augenblick
hörten wir ihn um Hilfe rufen. Wir blickten nach der Richtung, aus der das
Rufen kam, und sahen ihn halsgefährlich an einem Bein oben am Zelte hängen,
nackt wie bei der Geburt. Das einzige, was ihn dort hielt, so daß er nicht
herunterstürzte und das Genick brach, war, daß sich sein Fuß zwischen der
Zeltwand und einer Zeltstange eingeklemmt zu haben schien.
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