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Zeitschrift für Parapsychologie. 6. Heft. (Juni 1930.)
Ländern ihm Dank wissen. Neben seiner Gestalt tritt die gleichfalls ehrwürdige
Erscheinung von Charles Richet vor unser Auge, der leider am Erscheinen verhindert
war, der aber bei der Eröffnung des vorletzten Kongresses in Paris die
Worte prägte: „Wir gehören alle angesichts der Anfeindungen mutig zusammen,
wir bilden eine große Familie!"
Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl trat auch in Athen in harmonischster
Weise zutage, und wir wollen hoffen, daß es so bleiben und in Zukunft noch
immer deutlicher sich ausprägen wird.
Taormina, Sizilien, im Mai 1930. Dr. Paul Sünner.
Kleine Mitteilungen.
„Einmaliger Experimentalabend des Hellsehers Erich Jan Hanussen in Potsdam."
Bericht und Kritik von Dr. Otto S e e 1 i n g in Berlin.
Die Ueberschrift des folgenden Artikels war der Anfang des großen Reklameplakates
, das Hanussen an den Potsdamer Anschlagsäulen für seinen Vortragsabend
(11. April 1930) verwendet hatte. Der Text des Plakates ging so
weiter: „Telepathie, Graphologie, Television, Hellsehen usw. mit einleitendem
wissenschaftlichen Vortrag des bekannten Sachverständigen für Parapsychologie
Dr. med. Walter Kröner." (Es folgt Preisangabe usw. der Plätze 1, 2 und
3 Mark). Ort: Konzerthaus in Potsdam.
Man erwartete zweierlei: 1. Ein volles Haus; 2. eine scharfe Abwehr bezüglich
der Angriffe Hellwigs in der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom
25. März 1930, und zwar von beiden Angegriffenen.
Beide Erwartungen wurden enttäuscht. Dr. Kröner nannte Hellwig nicht,
sondern sprach von einem Landgerichtsdirektor, der „ausgerechnet aus Potsdam
" ist, und der neben einigen anderen — auch mit Namen nicht genannten —
Gegnern der Parapsychologie zu den ausgesprochenen Skeptikern gehöre. Insoweit
verlief der Abend vor dem kaum halb besetzten Hause durchaus friedlich.
Dr. Kröner begann mit seinem halbstündigen Einleitungsvortrage 8,20 Uhr abends.
Er führte ungefähr folgende Hauptpunkte aus.
1. Ueber Hanussen sind die Meinungen geteilt, das sei aber bei allen
besonders begabten Personen immer so. Die einen sehen in solchen
Leuten Scharlatane, die anderen Magier. Schon jetzt, zu Hanussens Lebzeiten
streite man sich um die Frage, ob dieser nur ein Artist, oder aber tatsächlich
ein Hellseher sei.
2. Hanussen habe nicht die Absicht, die Anwesenden durch Varietetricks
zu bluffen. Er könne aber unter feindlicher, ablehnender Einstellung nicht
arbeiten, deshalb sei Unvoreingenommenheit wünschenswert.
3. Ich (Dr. Kröner) war im Strafprozeß gegen Hanussen in Leitmeritz und
bin schließlich als sachverständiger Zeuge vereidigt und vernommen worden
. Von 4 Versuchen mit Hanussen waren drei positiv.
4. Hanussen wird allerdings mit rein artistischen Leistungen1 (Muskel-
4 lesen) beginnen. Nur so kommt er allmählich in Kontakt mit dem Publikum
. Im Laufe des Abends geht er dann in das Stadium des intuitiven
Muskellesens über, also ins methapsychische Erscheinungsbereich.
5. Wir alle im Zuhörerraum sind medial, nur kommen uns die Leistungen
des telepathischen Unterbewußtseins nicht zum Bewußtsein. Sympathie
und Antipathie sind z. B. solche mediumistischen Leistungen im Alltagsleben.
6. Ein Medium wie Hanussen und andere stellt einen atavistischen Rückschlag
dar; denn vor etwa 100000 Generationen hätten sich die Menschen
— noch ohne Sprache — zweifellos telepathisch verständigt.
7. Die Hellsehleistungen gehen manchmal auch über Fehlerquellen;
denn der Hellseher sieht zuweilen Symbolisches, ohne es immer als solches
zu erkennen. Er sagt dann etwas subjektiv Empfundenes, aber objektiv
Unrichtiges.
8. Hanussen leistet Großes auf dem Gebiete des Hellsehens und wird
hernach nach Angabe von: Zeit, Ort, Straße, Hausnummer und Stockwerk
die entsprechenden Vorgänge „in allen Einzelheiten" schildern.
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