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Kleine Mitteilungen
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Dr. Kröner schloß mit dem Worte eines Berliner* Conferenciers: „Seid
lieb und nett zu ihm." Daran fügte er noch ein Zitat von W. Rathetnau.
Kröner fand starken Beifall mit seiner stilistisch wohlgelungenen Rede.
Nun sprach Hanussen einige Worte und betonte, daß es sich bei Dr. Kröner
um einen sehr kritischen Herrn handle, der ihm gegenüber stets etwas zu
nörgeln habe. Hanussen teilte vor Beginn der Experimente noch mit, daß
er im Eden-Hotel Sprechstunden abhalte, wo er aus Schriftproben die
Zukunft deute. Damen, zu denen er im Laufe des Abends infolge mervöser
Erregung „ungezogen" sein sollte, erhalten im Eden-Hotei eine Konsultation
gratis. — Ich kann anschließend verraten, wie hoch der Preis für eine
Schriftdeutung ist. Einer Dame (Berlin, Kulmstr. 20, Frl. N.) wurden vom Geschäftsführer
des Herrn Hanussen 50 Mark (!) abverlangt. Als sie den exorbitant
hohen Preis als für sie unerschwinglich' bezeichnete, wurde ihr gesagt:
„Ich will versuchen, ob Herr Hanussen eine Ausnahme macht, 25 Mark werden
dann genügen." Auch das war der berufstätigen Dame zu viel, und sie ging.
Auf den Abend selbst will ich im einzelnen nicht eingehen. Im großen und
ganzen ist ja das Programm stets dasselbe, und im Verlauf gleicht ein Abend
wohl stets dem anderen. Dagegen will ich z eigen, in welcher
Weise Hanussen an der Stelle vorbereitend arbeitet, wo
das angeblich Metapsychische anfängt oder anfangen soll.
Auf der Bühne hatte Hanussen gesagt: „Schreiben Sie in der Pause auf einen
Zettel Zeit, Ort, Straße, Hausnummer, Stockwerk eines Sie stark bewegenden
Ereignisses, z. B. Feuersbrunst, Einbruch, Todesfall, Hochzeit
usw. betreffend. Geben Sie den Zettel meinem Sekretär! Ich werde dann
in der Vorführung die Zettel in der Reihenfolge des Einganges ererledigen
, d.h. die Handlung beschreiben, die sich zugetragen hat.
Ich hatte mich aus ganz bestimmten Gründen als erster gemeldet, stand
also nach einem kurzen Disput mit dem Sekretär am Kopfe der etwa 30—35 Personen
umfassenden Schlange. So kam ich als erster in die kleine Stube
neben der Bühne, wo Hanussen an eintem Tische saß. Niemand war sonst
in dem Räume, der hinter mir durch den Sekretär geschlossen wurde. Ich war
also mit Hanussen unter vier Augen, d. h. zeugenlos. Da gab
ich Hanussen meinen Zettel
2. Dezember i919, 11 Uhr vormittags,
Alexanderplatznähe. II Treppen."
Hanussen las den Zettel und bemängelte ihn. Er sagte: „Hier fehlt die
Angabe der Richtung, ob links oder rechts 2 Treppen." Ich sagte: „rechts."
H. schrieb nun ein r. hinter die entsprechende Stelle meines Zettels, dann sagte
er: „Ist der Raum ein Saal oder ein Zimmer? Das muß ich wissen, sonst finde
ich mich nicht zurecht." Ich antwortete: „Eine Stube." Darauf Hanussen: „Was
heißt das Alexanderplatznähe, das ist keine zureichende Angabe." Ich
erwiderte: „Grunerstraße." Hanussen fragte: „Welche Nummer." Ich
sprach: „Die Straße ist klein; das Gebäude liegt gegenüber vom Warenhaus
Wertheim." Darauf Hanussen: „Das nützt nichts, ich muß die Nummer wissen.
Oder aber: Beschreiben Sie mir das Haus. Ist es groß oder klein?"
Jetzt lehnte ich weitere Details ab — aus begreiflichen Gründen —, worauf
mir Hanussen den Zettel zurückgab. Ich verließ das Zimmer, worauf der Sekretär
eine Dame hineinließ und die Tür wieder zumachte. Ich brachte mein Bedauern
zum Ausdruck, daß ich wiederum nicht als Objekt für Herrn Hanussen
tauge. Der in der Nähe der Tür stehende und mir befreundete
Dr. Aigner beruhigte mich, gab mir aber recht, daß das Prinzip, nach welchem
die geeigneten Personen ausgesucht werden, im Interesse der Wissenschaft der
Aufklärung bedarf. Auch Herr Dr. Kröner schien mit mir zu bedauern, daß meine
Angaben dem Hellseher nicht genügten. Ichbinweitdavon entfernt,ein
Werturteil zu fällen, aber wenn jemand sich auf Plakaten als Hellseher
bezeichnet, wenn er gar einen bekannten- Arzt als Fürsprecher gewonnen hat,
dann muß alles vermieden werden, was nach Artistik und Trick auch nur
entfernt aussieht. Vorführungen wie diese mit Vorbereitungen der geschilderten
Art machen es den Gegnern der Parapsychologie g a r zu leicht und ihren
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