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Zeitschrift für Parapsychoiogie. 7. Heft. (Juli 1930.)
Außer den Temperaturschwankungen im Sitzungszimmer und Kabinett beschloß
ich, auch meteorologische Daten zu sammeln, diese sind in AnhangA.
wiedergegeben.
Der Leser wird bemerken, daß in diesem Bericht der Ausdruck „Trancepersönlichkeit
" ab und zu vorkommt. Wir nennen „Olga** „Trancepersönlichkeit
" oder „unterbewußte Intelligenz", weil wir nicht wissen, wie wir „sie'
sonst bezeichnen sollten. Wir haben keinen Beweis dafür, daß es sich um den
Geist eines Verstorbenen handelt. Wenn der Leser Spiritist ist, mag er gern
annehmen, daß Olga wirklich das Ich oder der Geist einer fortexistierenden
Persönlichkeit ist, die einmal auf Erden lebte. Ich halte die Hypothese des
Fortlebens für durchaus berechtigt. Aber es werden so viele Schwindeleien
und Torheiten im Namen des Spiritismus begangen, daß man äußert vorsichtig
sein muß, ehe man hier etwas als Tatsache anerkennt. Unsere Aufgabe ist es
jedenfalls in erster Linie, Daten zu sammeln und Ergebnisse zu analysieren,
die weltanschauliche Deutung beschäftigt uns weniger. Obwohl die Familie
Schneider sich nicht zum Spiritismus bekennt, hat sie doch eine merkwürdige
(von Olga selbst angeregte1) Theorie, daß die Trancepersönlichkeit niemand
anders sei als „Lola Montez" (d. h. Maria Dolores Eliza Rosanna Gilbert^
1818—1861), die in Limerick in Irland geborene internationale Abenteurerin,
die 18^7 *n München auftauchte und die Geliebte des alten bayrischen Königs
!) Der Ursprung dieser „Theorie" wurde mir folgendermaßen erzählt: Noch
ehe die Mediaütät Willis (und Rudis) entdeckt worden war, kamen (soweit sich
feststellen läßt gegen Ende des Jahres 1918) einmal ein paar Soldaten besuchsweise
zur Familie Schneider. Diese erzählten vom Tischrücken und man beschloß
, es auch einmal damit zu versuchen. Im Laufe dieser Tischsitzungen
meldete sich auch einmal eine Wesenheit als „Geliebte des Königs von Bayern",
Lola Montez. Sie sagte, sie habe ein „wüstes Leben" geführt und befinde sich
deshalb in einer sehr dunklen Sphäre. Sie bat, man möge für sie beten und
Messen für sie lesen lassen. Vater Schneider nahm dies — so wurde mir berichtet
— ernst und ließ wirklich einige Messen für Lola Montez lesen. In einer
späteren Sitzung kam „sie" dann wieder, bedankte sich und erzählte, sie sei nun
aus der dunklen Sphäre erlöst und in eine höhere Sphäre gekommen. Dafür sei
sie der Familie Schneider zum größten Dank verpflichtet und sie werde sich erkenntlich
zeigen. Man experimentierte damals mit einem kleinen dreibeinigen
Tischchen, in dessen einem Bein ein Bleistift befestigt war, dieser Bleistift begann
nun allerhand Botschaften auf ein darunter gelegtes Blatt Papier zu schreiben,
wenn eine (oder mehrere) geeignete Persönlichkeit die Hand auf das Tischchen
legte. Bald zeigte es sich, daß das Tischchen besonders gut funktionierte, wenn
Willis Hand darauf lag. Ja, es bewegte sich sogar, wenn er die Hand nur darüber
hielt, auch ohne es zu berühren. Durch das Tischchen wurde dann angegeben
, Willi solle sich auf einen Stuhl neben einen Tisch setzen, den Tisch
solle man mit einem langen, fast bis zum Boden reichenden Tischtuch bedecken
und einige leichte Gegenstände davor legen. Dies geschah. Nach kurzer Zeit
wurden die Gegenstände von selbst unter den Tisch hinter das Tuch bewegt.
(Dies war das erste „Kabinett" im Hause Schneider!) Später kamen auch materialisierte
Hände unter dem Tuch hervor und ergriffen die Gegenstände. Willi
befand sich manchmal in Trance und die sich durch ihn meldende Intelligenz
nannte sich „Olga", behauptete aber die durch die Messen erlöste Lola Montez
zu sein. Etwa um diese Zeit hörte Dr. v. Schrenck-Notzing von den Phänomenen
Willis (1919) und begann dann mit seiner Ausbildung als wissenschaftliche Versuchsperson
. (Vgl. „Physikalische Phänomene des Mediumismus", S. 102 ff.) — Wenn
man — wie auch Dr. v. Schrenck-Notzing — die animsstische Deutung hierauf
anwenden will, so kann man* vielleicht annehmen, daß jene erste Kundgebung
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