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Zeitschrift für Parapsychologie. 7. Heft. (Juli 1030.)
storbenen gewesen war. Von dieser verschlossenen Tür aus bewegte sich ein
hoher Schatten mit scharfen menschlichen Umrissen, aber ohne jede Einzelheit
wie Gesicht, Arme usw. langsam auf mich zu und entschwand vor mir
mit einer Wendung nach links in die ebenfalls geschlossene Tür eines anderen
Zimmers. Alles war bei dem hellen Licht ganz deutlich zu erkennen, die Bewegung
des Gleitens, das Einschwenken tmd Verschwinden. Es war aber eine
dunkle, keine weiße Gestalt, und ich war allein auf dem Flur. Im Verlauf
der nächsten 8 Tage ging ich abends zwischen 7 und 8 Uhr aus dem letztgenannten
Zimmer, das erleuchtet war, durch das dunkle unbewohnte in die
helle Wohnstube, wo meine Tante still am Tisch saß, und fühlte im Halbdunkel
, wie eine Gestalt vor mir links in die Ofenecke zurücktrat, hörte
auch das Rauschen von Frauenkleidern. Eine Bewegung glaubte ich auch gesehen
zu haben, es war aber nicht hell genug. Jedenfalls habe ich mich dem
Gefühl nach nicht getäuscht, denn ich spürte die Nähe deutlich, fast wie etwas
Körperliches.
Im Sommer darauf waren wir wieder vier Wochen in demselben Haus,
Juli 1926, und wieder mit Vorbereitungen für eine längere Abwesenheit beschäftigt
. Da hörte ich mehrmals nachts von meinem Schlafzimmer oben
aus langsame, deutliche Schritte mit einem Stock den Gang herunter gehen
und links auf dem kleinen Treppenbalkon neben meinem Zimmer, der zur
Toilette führt, endigen. Zuerst war ich der Meinung, meine Tante wäre es
gewesen, die aber auf Nachfrage am Morgen ruhig geschlafen hatte und außerdem
sehr viel leiser gegangen wäre. Ich habe dasselbe mehrere Nächte beobachtet
, bin sogar einmal an der Treppe gewesen, habe aber nichts sehen
können. Nun kam im Februar 1927 das letzte Erlebnis dieser Art,
Unsere Schlafzimmer lagen jetzt unten und zwar war das vorhin be«
schriebene unbewohnte Kopfzimmer, das heißt am Ende des Flurs gelegene,
das meiner Tante, rechts davor das meinige, in dem die Gestalt damals verschwunden
war. An einem Abend gegen sieben Uhr ging ich aus der Wohnstube
durch das Schlafzimmer meiner Tante in das meine, um den kleinen Germanra-
ofen nachzulegen. Mit diesen Öfen war ich in stetem Kampf, weil sie leicht
ausbrannten und fortwährendes Nachsehen erforderten. Ich schüttete Kohlen
auf, vergaß aber, an dem Rost zu schütteln. Nun drehte ich dem Öfen den
Rücken, ging am Mitteltisch vorbei ganz harmlos zum gegenüberliegenden
Fenster, um die Jalousie herabzulassen. Noch nicht dort angekommen, höre
ich plötzlich heftig hinter mir den Rost rütteln, drehe mich ruckartig und
tief erschrocken um, denn ich war allein im Zimmer, und sehe nun ungefähr
zwei Meter vor mir im hellen Licht von vier elektrischen Birnen in der vorher
angedrehten Krone eine dunkle Gestalt vor dem Ofen hocken, wie jemand auf
einem Fuß hockt, den Oberkörper etwas vorgeneigt und den rechten Arm zum
Ofen gestreckt mit den gleichen vor- und rückwärts schüttelnden Bewegungen,
die ich gleichzeitig als von dem in Bewegung gesetzten Rost kommend hörte!
Ich hatte das Phänomen also unzweifelhaft mit Augen und Ohren vor
mir, stand in erschreckter Stellung wohl zwei Minuten atemlos darauf hin
starrend da, als die Gestalt sich vor meinen Augen erhob, einen Schritt zu
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