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Winterstein: Die Bedeutung der Psychoanalyse für die Parapsychologie. 425

bestimmten Person. Das Vorbild der Ambivalenz menschlicher Gefühlsregungen
ist die hintei zärtlicher Liebe im Unbewußten lauernde Feindseligkeit, eine
Erscheinung, die bei intensiver Gefühlsbindung fast regelmäßig vorkommt.
Für das Seelenleben der Primitiven wie der Kinder ist diese gleichzeitige Ausbildung
der Triebgegensätze besonders charakteristisch; die Ambivalenz tritt
auch bei bestimmten Formen psychischer Erkrankung, so bei der Zwangsneurose
, hervor. Im Gegensatze zum infantilen, archaischen und pathologischen
Triebleben kann man aber das des gesunden erwachsenen Kulturmenschen als
verhältnismäßig ambivalenzfrei bezeichnen.

Zum Verständnis meiner späteren Bemerkungen, die den okkulten Tatsachen
gelten werden, muß ich noch vorerst ihre Aufmerksamkeit auf das von
Freud aufgedeckte Prinzip der Ueberschätzung der seelischen Realität
, der „Allmacht der Gedanken * lenken, ein Prinzip, welches das frühkindliche
Seelenleben, ferner das der Neurotiker, insbesondere der Zwangskranken
, und das Seelenleben der Primitiven beherrscht. Bei allen diesen ist nur
das intensiv Gedachte, mit Affekt Vorgestellte, der triebhafte Wunsch wirksam
, dessen Uebereinstimmung mit der äußeren Realität aber nebensächlich.
Das Wünschen wird dem Handeln in der realen Außenwelt gleichgestellt.
Diese Ueberschätzung der seelischen Vorgänge gegen die Realität bringt Freud
in Beziehung zum sog. Narzißmus. Er heißt Narzißmus ein bestimmtes
Stadium der infantilen Sexualentwicklung, wo die Person sich so verhält, als
wäre sie in ihren eigenen Körper, in sich selbst verliebt. Ich darf hinzufügen,
daß der Mensch in gewissem Maße sein ganzes Leben lang narzißtisch bleibt,
auch nachdem er äußere Objekte für seine Liebe gefunden hat. In seinem
Buche „Totem und Tabu" hat Freud dann ausgeführt, daß das primitive Weltsystem
des Animismus von diesem Prinzip der Ueberschätzung der seelischen
Realität regiert wird und daß dieses Prinzip auch der Magie, der
Technik der animistischen Denkweise, zugrunde liegt. Sie wissen wohl, daß
die primitiven Völker, die der Natur- und Weltauffassung des Animismus huldigen
, sich die Well mit einer Unzabi von geistigen Wesen, Geistern und,
Dämonen, be\ölkerl denken, die ihnen wohlwollend oder feindselig gesinnt sind.
Der Mensch hat in dieser Phase einen Teil seiner Allmacht bereit« den, Geistern
' abgetreten. Die meisten Autoren vertreten die Ansicht, daß die Geister, die
die Tiere, Pflanzen und Dinge beleben, nach Analogie der Menschensieekn
gebildet wurden. Auch diesen schrieb man eine ziemliche Unabhängigkeit von
den Leibern zu: sie konnten ihren Aufenthalt nach Belieben wechseln und-von
anderen Menschen Besitz nehmen. Die Seelen wurden ursprünglich als sehr
ähnlich den Individuen vorgestellt und haben im Verlaufe der Entwicklung
immer mehi ihren materiellen Charakter abgestreift.

Indem ich hier nun die Behauptung Freuds anfuhr«, daß die Geister und
Dämonen der Primitiven nichts als die Projektionen ihrer Gefühlsregungen
sind, habe ich bereits psychoanalytische Denkweise einem bestimmten Gebiete
des Okkulten gegenüber zur Anwendung gebracht. Denn die psychoanalytische
Lehre vertritt ja die Anschauung, daß der Glaube an Gespenster bloß
einen Rückfall in diese animistische Denkweise darstellt und durch unbewußte


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