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Winterstein: Die Bedeutung der Psychoanalyse für die Parapsychologie. 429

kinetische Erscheinungen gezeigt. Während Flournoy zur Erklärung der intellektuellen
Phänomene mit ziemlichem Erfolge Kryptomnesie, Hypermnesie
u. dgl. heranzieht, sie also im Rahmen der Normalpsychologie verständlich zu
machen sucht, neigt er eher zu der Ansicht, daß die physikalischen Phänomene»
echt seien. Flournoys Studien, die natürlich nicht den Beifall der Spiritisten'
um Helene Smith fanden, legen jedenfalls dem unbefangenen Betrachter die
Pflicht auf, alle anderen Fälle von Trancereden u. ä. bis zum Beweise des
Gegenteils in gleicher Weise wie die Produktionen der Helene Smith zu beurteilen
.

Der Psychoanalytiker Herbert Silberer, der jung verstorbene gedankenreiche
Verfasser der „Probleme der Mystik und ihrer Symbolik", hat in ähnlicher
Weise wie Flournoy bei einer Reihe von lekanomantischen Versuchen
die Visionen der Versuchsperson als symbolisch verkleidete Aeußerungen ihrer
Komplexkonstellationen zu deuten vermocht. Unter Lekanomantie (aus Xtxavtj
Becken, und ßavrsict Weissagung) verstand man jene Kunst der Weissagung,
bei der man die schauende Person in ein von Lichtern] umgebenes, mit Wasser
gefülltes Becken blicken ließ. Es ist also etwas Aehnliches wie das bekanntere
Kristallsehen, das in England noch heute ziemlich viel betrieben wird. Bei
Silberers Versuchen wird nebenbei auch der Möglichkeit der telepathischen
Beeinflussung der Visionen gedacht. Für einen dem mantischen Schauen
verwandten Gemütsznstand, für den Traum hatte schon früher der Psychoanalytiker
Wilhelm S t e k e 1 telepathischen Einfluß, als eine der Traumquellen
anerkannt. Damals wollte Freud von solchem Einfluß nichts wissen, heute
ist er, wie er mir selber schrieb, von der Realität der Gedankenübertragung
fast überzeugt, obwohl er selber nie einen telepathischen Traum oder überhaupt
ein telepathisches Erlebnis gehabt hat und während seiner 33 jährigen Tätigkeit
als Analytiker niemals in die Lage gekommen ist, bei einem seiner Patienten
einen richtigen telepathischen Traum mitzuerleben. Immerhin scheinen ihm
zwei briefliche Mitteilungen über telepathische Erlebnisse genügend Eindruck
gemacht zu haben, um das Problem innerhalb der psychoanalytischen Schule
für diskussionsfähig zu erklären. Ueber dieses bescheidene Zugeständnis an die
Parapsychologie ist die offizielle Psychoanalyse aber bis heute nicht hinausgegangen
und bringt der Existenz der übrigen okkulten Phänomene noch immer
weitgehende Skepsis entgegen. Trotzdem glaube ich, daß gerade die psychoanalytische
Methode geeignet ist, uns neue Einsichten in gewisse
Zusammenhänge des okkulten Geschehens zu geben. Ansätze zu einer Erklärung
telepathischer oder anscheinend hellseherischer Phänomene mit Hilfe der
Mechanismen des Unbewußten sind bereits vorhanden. Sie wirken natürlich
in jenen Fällen überzeugender, die unter der eigenen Beobachtung des Analytikers
vorgefallen sind. Ihr Anspruch auf Verallgemeinerung erscheint mir
aber noch keineswegs gesichert.

Ich möchte Ihnen nun ein paar Beispiele solcher analytischen Deutungen
erzählen und beginne gleich mit dem ersten der von Freud gewürdigten Fälle:

Die eine Person, die Freud ihre telepathischen Erlebnisse brieflich berichtet
hat, ist ein gebildeter intelligenter Mann, ein wiederverheirateter Witwer. Er

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