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Winterstein: Die Bedeutung der Psychoanalyse für die Parapsycholqgie. 433

nach Auffassung der Aerztin gerade deshalb für die Aufnahme dieses Inhaltes
empfänglich gewesen — gleichsam als empfindsamer Resonanzboden, — weil
der Inhalt in engster Beziehung zu stark affektiven unbewußten Regungen
der Aufnehmenden stand.

Mit Hilfe der Psychoanalyse ist es auch bisweilen möglich, Weissagungen,
die ein Hellsehen voraussetzen würden, auf ihren Wahrheitskern, nämlich auf
einen bloß telepathischen Vorgang zu reduzieren. Einer Dame, die viele Jahre
später zu Freud in die Analyse kam, war in Paris von ,einem Chiromanten
prophezeit worden, sie werde noch heiraten und mit 32 Jahren zwei Kinder
haben. In Wirklichkeit war die Dame damals schon verheiratet, hatte aber vor
der Befragung des Chiromanten den Ehering abgezogen, wodurch er offenbar
irregeführt worden war. Aus ihrer Geheimgeschichte erfuhr dann Freud, daß
sie sich stets Kinder gewünscht hatte und daß die jahrelange Enttäuschung die
Hauptursache ihrer Neurose war. Die Dame hatte nach einer starken Gefühls-
bindung an den Vater geheiratet und, um ihren Mann an die Stelle ihres Vaters
setzen zu können, das Schicksal ihrer Mutter wiederholen wollen. Auf diese
traf es nämlich zu, daß sie mit 32 Jahren 2 Kinder gehabt
hatte. Freud nimmt nun an, daß der Kindeswunsch der Dame, der stärkste
Wunsch ihres Affektlebens, sich durch unmittelbare telepathische
Ueber tragung dem mit einer ablenkenden Hantierung beschäftigten Wahrsager
mitteilte.

Ein hübsches Beispiel von scheinbarem zeitlichen Hellsehen erzählt auch
der Wiener Nervenarzt Dr. Eduard Hitschmanjn. An einem Sonntagnachmittag
des Jahres 1910 produzierten sich mit einem lenkbaren selbstkonstruierten
Ballon in Wien zwei junge Leute vor dem Kaiser Franz Joseph, die
manchen von Ihnen unter dem Namen die „Renner-Buben" noch in Erinnerung
sein dürften. Hitschmann, der den lebhaften Wunsch hatte, diesem öffentlichen
Schauspiel beizuwohnen, entschloß sich nach längerem Schwanken, auf
das Vergnügen zu verzichten, da sowohl er wie auch sein Bruder sich verpflichtet
fühlten, ihrer alten Mutter am Sonntagnachmittag Gesellschaft zu
leisten. iJm sein Mißvergnügen zu erhöhen, hatte ihm auch noch eine ihm
nahestehende junge Dame, die er gerne getroffen hätte, abgesagt. Zu der
Zeit, als der Aufstieg stattfinden mußte, gerade bei Tische sitzend, rief llitsch-
mann plötzlich, indem er auf die Wanduhr sah: „Jetzt ist es halb vier, jetzt
fällt einer der Brüder heraus und der Ballon fliegt davon!'* Zugleich sah er
diese Vorgänge bildhaft vor sich. Ein paar Stunden später holte er sich auf
der Straße die Bestätigung, daß dies wirklich geschehen war; nur von der
einen Tatsache, daß der Ballon an den Hangar angestoßen war und der eine
Aviatiker dadurch hinausgeschleudert wurde, hatte Hitschmann keine „xihnung"
gehabt. Auch die Zeitangabe stimmte nicht ganz: der Unfall hatte sich eine
halbe Stunde nach der Vision zugetragen. Hitschmann, der seiner plötzlich
aufgetretenen supranormalen Begabung mißtraute, unterzog alsbald sein
„hellseherisches Wissen von dem Fliegerunfair * — wie er sich ausdrückt —
einer gründlichen Analyse und gelangte zu nachstehendem Ergebnis. Vorausschicken
muß ich noch, daß es sich hier bei Annahme eines okkulten Vor-


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