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Isenberg: Der Tranceschlaf als Heilmittel.
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immer im geistigen Gehalt des Vorgetragenen. Nachher besteht beim Vortragenden
häufig ein abnormer seelischer Zustand: Aufgeregtheit, Erschöpfung,
Niedergedrücktheit, Schlaflosigkeit usw., in anderen Fällen das Gefühl einer
Erleichterung, einer Erfrischung, jedenfalls immer das Gefühl, eine große
Kraftausgabc geleistet zu haben.
Beim Mediumismus ist der Vorgang nicht anders. Natürlich kann das Medium
ein nervöser oder hysterischer Mensch sein, aber daß das so sein müßte,
ist durchaus nicht gesagt; das Medium kann auch ein völlig ruhiger, nüchterner,
nicht leicht erregbarer Mensch sein. In vielen Fällen ist das Medium nach einer
Sitzung erschöpft, erregt, braucht längere Zeit, um die normale Verfassung
wieder zu erreichen. In anderen Fällen fühlt sich das Medium nach der Sitzung
wie befreit und ist erfrischt. Hier ist vielleicht ein Unterschied zwischen physikalischen
und geistigen Medien zu machen. Es wird nicht schwierig sein, das
festzustellen. Gerade wie der Geistesarbeiter ist das Medium zu gewissen Zeiten
besser aufgelegt, vermag es Besseres zu leisten, ebenso wie beide durch übermäßige
Arbeit, wie durch Erzwingen von Leistungen geschädigt werden.
Mir scheint eine unbefangene Betrachtung der Medien und der medialen
Leistungen zu zeigen, daß mediale Begabung mit Hysterie an und für sich nichts
zu tun hat, daß ihre Ausübung die Gesundheit wohl schädigen kann (weil das
betreffende Medium die für seine Konstitution gegebenen Bedingungen nicht
kennt oder berücksichtigt), aber durchaus nicht braucht. Es scheint uns
weiter Fälle zu geben, wo die Ausübung medialer Fähigkeit direkt gesundheitsförderlich
wirkt. Nehmen wir einen grobphysischen Vergleich. Für unsere
Gesundheit sind wir darauf angewiesen, daß unser Körper regelmäßig eine gewisse
Menge Wärme ausstrahlt. Behindern wir dies durch warmes Einhüllen
des Körpers, so fühlt er sich bald recht unbehaglich. Dies wissen wir, aber was
wissen wir von den feineren Ausstrahlungen, die auch dauernd ungehemmt strömen
müssen, wenn wir uns wohl fühlen sollen? Ein solcher geistiger Strahlungsmensch
ist besonders der auftretende Künstler. Man versetze ihn in eine
Umgebung, in der er vier Wochen geistig völlig abgeschnitten ist, er wird unruhig
, erregt, „nervös", ja krank werden. Mit einem Schlage aber schwinden
diese Beschwerden, wenn er sich wieder von den gestauten geistigen Energien
befreien kann. Sollte nicht bei stark medial veranlagten Menschen etwas ähnliches
eintreten: ein Stauen der nach außen drängenden Kräfte, dadurch Störungen
im Befinden? Dazu soll der folgende Fall angeführt werden.
Frau J. T., etwa 5o Jahre alt, litt an Schlaflosigkeit und eigenartigen
Krampfanfällen, war im übrigen von ruhigem Temperament, schlank, kaum
mittelkräftig. Diese Anfälle kamen meist nachts, waren zuerst an einer veränderten
Atmung kenntlich. Dann erfolgte ein Ballen der Hände, Strecken der
Arme, schließlich des ganzen Körpers. Das Unangenehme dabei war, daß auch
die Zunge ergriffen wurde, nach hinten sank und die Atmung sehr erschwerte.
Die Anfälle hinterließen, wenn man sie nicht brechen konnte, eine große Mattigkeit
. Man hatte ausgefunden, daß Ghloralhydrat, das bekannte Schlafmittel,
den Anfall sofort aufhob; sofort nach dem Eingeben war er vorüber. Dies
lange Zeit, wenn auch nicht regelmäßig fortgesetzte Einnehmen von Ghloral
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