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Dietz: Neurose und Paragnosie.

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bekannte Symbol des Wagens) Liebe könne sie über die Regungen der »Sinnlichkeit
erheben und sie richtig glücklich machen.

Nun kommt aber die größere Merkwürdigkeit, welche sie mir in inmittel-
barem Anschluß an diesen Traum erzählte. Gerade am Morgen nach diesem
Traum sei ihre Mutter an ihr Bett getreten, einen Brief in der Hand, und sagte:
Wie zufällig! Erinnerst du dich noch des Herrn L. — mit dem wir vor zehn
Jahren in der Pension N. zusammengewohnt? Er kommt wieder zurück in
die Stadt und will sich hier im Hause einmieten. Die Theorie des Zufalls ist
nur eine bequeme Ausrede. Die Tatsache des Zusammentreffens von Traum
und Bericht fordert ebensogut eine Erklärung, wie das Auftreten des ihr gleichgültigen
Mannes im Traume überhaupt. Letzteres wird durch den Familiennamen
veranlaßt, welcher ihn zu einem Repräsentanten eines Ideals erhebt,
einer Stelle, der sie ihn als Mensch keineswegs würdigt.

Es ist aber als höchst wahrscheinlich zu erachten, daß auch die Paragnosie
in diesem psychischen Gewebe nicht nur als ein zufällig hineingeratener Faden
angesehen werden muß, sondern organisch dem Ganzen eingefügt ist. Die Sache
läßt sich zwar so auffassen, daß die — offenbar unbewußt übertragene —
Botschaft nur unter Benutzung des bedeutungsvollen Familiennamens, den
äußerlichen Anlaß zur Traumbildung abgab. Aber ich glaube dennoch, wir
sollen auch tieferen Spuren nachgehen. Weshalb ereignete sich, zum
ersten Male im Leben der vierunddreißigjährigen Frau, eine telepathisches
Phänomen, wobei jedoch die eigentliche Botschaft gar nicht
ins Bewußtsein der Empfangenen eintrat? Sie war eben mit wichtigeren
Sachen beschäftigt. Mit der ängstlichen Frage, ob ihr wohl diesmal der richtige
„liebe Mann" begegnet sei, und die warnende Ahnung, es sei auch diesmal
nicht der Fall. (Das Verhältnis führte zu nichts.) Dieser seelische Kampf
aktivierte nach den Gesetzen der Assoziation den Namen „Liebermann", und mit
diesem die scheinbar lange vergessene Erinnerung an den Träger dieses Namens,
und eben diese eine Affektbesetzung war die Ursache des telepathischen Anschlusses
. Telepathie und Traum bedingen also einander, oder wohl richtiger:
beide 3ind einander koordiniert, als Folgen einer tieferliegenden Ursache.

Der holländischen Literatur, nämlich der „Mededulimgeri der Studie-
vereeniging voor Psychical Research" (1921 Nr. 3) entnehme ich den nächsten
, sehr gut verbürgten Fall, der von Herrn P. Gowhart, Direktor einer
Realschuh* im Haag, von seinem früheren Schüler B. empfangen und dem
Sekretär des Vereins zugeschickt wurde.

Der Traum des Herrn B. lautet also:

„Ich sehe mich selbst in meinem eigenen Schlafzimmer; das hat aber eine
mehr längliche Form, wie eine Art Schlafsaal. Ich liege nicht in meinem
Bett, sondern auf einem eisernen Feldbett; neben mir steht noch eine ganze
Reih'i derartiger Betten; darin schlafen meine zwölf Kollegen, nach der
Reihe ihrer Dienstjahre geordnet. (Wir sind zwar als Kollegen im Rang einander
gleich, aber dem Unterschied im Dienstalter nach bilden wir sozusagen
eine Reihe, von der Zeit unserer Anstellung an gerechnet.)


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