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Dietz: Neurose und Paragnosie

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wesentliche des ganzen Auftritts, das aus der entgegengesetzten Tendenz, der
Zensur des Beamten, hervorgeht.

Den dritten Traum, den ich aus diesem Gesichtspunkt betrachten möchte,
ist uns von Richet (Notre sixieme sens pag. 57) überliefert worden. Es betrifft
den Wahrtraum des Herrn Demay. Die Geschehnisse lassen sich also
kurz zusammenfassen. Herr D. erhält den Besuch eines Jugendbekannten,
eines gewissen G., der ihn dringend um Hilfe in seiner finanziellen Not anfleht
. D. kann ihm aber nicht helfen und G. geht ungetröstet fort. In der
darauffolgenden Nacht ertränkt er sich in der Seine. Herr D. wird dieser
Selbstmord in einem (wahrscheinlich auch zeitlich zusammenfallenden) Wahrtraum
zum Bewußtsein gebracht. Er fährt in seinem kleinen Boot auf der
Seine; ein Fisch schnellt aus dem Wasser empor und beißt ihn in die Hand;
der Kopf des Fisches ist der des unglücklichen G.

Als Ursache, daß hier überhaupt eine Paragnosie auftritt, können wir
das begreifliche Interesse des Träumens an seinem bedrängten Jugendfreund
ansehen. Mitleid und Schuldgefühl wirken hier zusammen, denn der Biß
des Fische^ ist ohne Zweifel der „Gewissensbiß". Ist doch die „Unmöglichkeit"
Hilfe zu geben, meistens ein relativer Begriff; hängt davon ab, wieviel man
zu geben bereit ist. Es wäre ein sehr menschlich, allzu menschlicher Gedanke:
„Hätte ich gewußt, daß es solchen Ausgang nehmen würde, ich hätte ihn nicht
gehen lassen." Und es ist die Umformung der Wasserleiche in einem Fisch
als eine Abwehr aufzufassen, welche aber nur teilweise gelingt, weil er eben
auch schonungslos wissen will, auch wenn es ihm schwer fällt: er begibt
sich ja im Boot von Dijon (seinem Aufenthalt in dieser Nacht) nach Paris,
wie um etwas zu suchen. Wäre der Traumarbeit diese Abwehr vollständig
gelungen, so hätte der Traum etwa gelautet: Ich fahre auf der Seine und werde
von einem Fisch in die Hand gebissen. Der paragnostische Charakter des
Traumes wäre fast ganz unkenntlich geworden, es wäre nur eine dumpfe, schwer
zu deutende Unheilsbefürchtung übriggeblieben und der Zusammenhang mit
dem Selbstmord wäre zweifelhaft.

Freud hat uns gelehrt, zwischen dem manifesten Traum und dem „latenten
Trauminhalt" zu unterscheiden. Als Bestandsteil des letzteren bezeichnet er
die „Tagesreste", welche von ihm als Bodensatz der alltäglichen Erfahrung
angesehen werden. Sie sind eben nur an sich ziemlich gleichgültiges Material
, das nur Bedeutung erlangt durch die Bearbeitung, der es von Seiten des
verdrängten Wunsches unterworfen wird. Diese Bearbeitung (Traumarbeit)
ist es eben, welche die Traumentstellung schafft, als deren Resultat uns der
manifeste Traum entgegentritt. Nun hat Freud selber die Möglichkeit zugegeben
. (Traum und Telepathie. Imago Bd. VIII; Okkulte Bedeutung des Traumes
Imago Bd. XI), daß auch dann und wann telepathische Botschaften in dieses
Material eintreten können; sie sind ihm dann durchaus den gewöhnlichen,
Tagesresten gleichwertig; gehören ebensowenig wie dieselben, dem „eigentlichen
" Traum an. Von seinem, ausschließlich subjektiv-psychologisch orientierten
Standpunkt aus läßt sich solches verteidigen. Der auch parapsychologisch
interessierte Traumforscher hat, wenn er auf paragnostische Träume


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