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444 Zeitschrift für Parapsychologie. 7. Heft. (Juli 1930.)
stößt, eine abweichende Einstellung. Hinter dem., ebenfalls als Resultat einer
„Entstellung" aufzufassenden manifesten Trauminhalt erkennt er, als Teil des
latenten Traumes, ein latentes Traumwissen. Dieses Traumwissen
kann für den Traum nur von ganz geringer Bedeutung sein, nur ein erster Traum,
wo nur der Name als solcher, telepathisch übertragen, zur Bildung eines Wunschtraumes
libidinösen Charakters verwandt wird. Je mehr aber die Paragnosie
das Uebergewicht bekommt, desto mehr wird der Schwerpunkt in der Richtung
des objektiven Inhalts verschoben; die subjektive Zutat ist eben nur eine Entstellung
— wiewohl in etwas anderem Sinne als bei Freud. Fehlt diese Zutat
vollständig, so haben wir den vollständigen „Wahrtraum", den Traum vom
„konformen Typus". Er ist vom parapsychologischen Standpunkt höchst merkwürdig
, beansprucht aber nur in geringem Grade das Interesse des Psychoanalytikers
. In den meisten Fällen nimmt jedoch der paragnostische Traum eine
Mittelstellung ein; er ist ein richtiger Traum, indem er die telepathisch resp.
hellseherisch oder prophetisch übermittelten Tatsachen nicht einfach reproduziert
, sondern sie in dramatisierter oder symbolischer Gestalt zum Bewußtsein
bringt. Indem zweiten der oben besprochenen Fälle haben wir diese Entstellung
— wenn wir es so nennen dürfen — teilweise als eine Wirkung der Traumzensur
auffassen können, welche den befriedigten Todeswunsch nur in der
Form einer Filmszene in dem sich dieser Befriedigung widersetzenden Bewußtsein
des Träumers aufkommen ließ. Im dritten Traum, wo wir Ursache
haben, eine von dem Opfer ausgehende Beeinflussung im Augenblick des Todes
anzunehmen, tritt das Moment des Selbstschutzes, der Abwehr gegen das grausige
Wirklichkeitsgeschehnis, auf. Ich glaube jedoch nicht, daß. sich damit das
dramatische und symbolische Element in jedem Wahrtraum immer restlos
erklären ließe. Beide sind eben Gebilde der seelischen Ursprache der
Menschheit.
Die moderne Traumforschung hat also in Zukunft die, allerdings nicht eben
leichte Aufgabe, in den Träumen auch nach paragnostisohen Elementen, nach
Zeichen dieses „latenten Wissens" zu fahnden. Es ist nicht zu verkennen, daß
sie sich hiermit einigermaßen der antiken Traumdeutung nähert. Neben dem
kühnen Entschluß, in dieses dunkle Gebiet eindringen zu wollen, wird kritische
Besinnung, Vorsicht und die Befolgung der goldenen Regel „in dubis abstine"
nötig sein, um den, diesen zuweilen kaum kenntlichen Spuren nachfolgenden
Forscher von Irrwegen abzuhalten. Diese Erkenntnis soll uns aber nur zur
Beschränkung, nicht aber zum Verzicht anhalten.
Kleine Mitteilungen.
In eigener Sache.
In der „Vossischen Zeitung" vom 27. Mai veröffentlichte Prof.
Oesterreich einen Kongreßbericht unter dem Titel: „Parapsychologie in Athen".
So erfreulich diese, sonst in der hiesigen Presse nicht angetroffene, ausführliche
Berichterstattung war, verzeichnen wir doch mit Bedauern einen Angriff, den wir
nach der in Athen versuchten Annäherung an unseren früheren Mitarbeiter nicht
erwartet hatten. Oesterreich schreibt: „Direkt zum „Bekennermute" forderte
Sünner (Berlin) auf, der auch in der von ihm redigierten „Zeitschrift für Para-
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