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Dieterich: Meine Erfahrungen mit Max Moecke.
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Ideen des Mannes. Es ist als ob sich eine ganz neue Ehe gebildet hätte. — Die
Tochter hal ein untrügliches Einschätzungsvermögen gegenüber Fremden; sie
zieht sich augenblicklich zurück und diagnostiziert dann sofort. Sie hat es auch
in neuerer Zeit gelernt, ohne Verletzung der gesellschaftlichen Formen ihre
Reserve zu wahren. Das i^. Lebensjahr war im Charakter ihr glücklichstes; es
waren hier auch starke religiöse Erlebnisse. Sie war als Kind schon viel reifer
als andere, lleut ist sie übrigens eine junge Dame. Zum Vater spricht sie gewöhnlich
so, daß sie die Hand auf seine rechte Schulter legt. Sie ist überhaupt
zum Vater sehr zärtlich, so als ob sie ihn etwas bemuttern müßte. Es ist so
etwas wie Mitleid dabei. Sie fühlt sich quasi zur Vermittlung zwischen Vater
und Mutter berufen. Sie wirkt äußerlich jünger als sie ist — gegen 20 —, hat
eine schöne Haut und auffallend hübsche Hände; auch das Haar ist besonders
schön. Sie muß an der Hand einen dunkelblauen Stein tragen, den sie sehr
liebt. Sie liebt überhaupt Steine, nur meistens in der Schublade; bloß diesen
einen trägt sie eigentlich. Er muß mit dem Vater zusammenhängen, ist vielleicht
ein Geschenk des Vaters. Der Stein scheint schon älter als die Fassung.
Sie steht sehr kritisch zur Ehe, selbst zu einer kameradschaftlichen Ehe wird sie
sich schwer entschließen. — Der Vater hat eigentlich einen ganz andern Beruf.
Ich sehe einen geistlichen Kopf in Uniform (!). Der Kopf ist
kahl, der eines Kampfmeaschen. Der Mann äußertverschiedentlichi
wörtlich, er erkenne nur eine Autorität an: Gott (!). Wenn es
sich um Ethisches handelt, wird er geradezu grob und rücksichtslos, kann auch
ironisch und direkt bissig sein."
Da es sich bei den Schreibern um Menschen handelt, die ich ebenso gut
persönlich kenne als ihre Familienverhältnisse, bin ich in der Lage, Moeckes
Aussagen bis in fast alle Einzelhelten als absolut zutreffend zu bestätigen. Daß
es sich dabei vielfach um nicht Alltägliches handelt, mag aus den Mitteilungen
selber schon hervorgegangen sein. Es sind absichtlich auch belanglose
Einzelheiten mit berichtet worden, die ja oft für die Art der Erkenntnis
noch bezeichnender sind, als besondere bedeutsame
Umstände oder Erlebnisse. Insbesondere mag für solche die
so beliebte „Erklärung" des llellsehens als „Telepathie", als Empfinden von
eigentlichen Gedanken, mehr oder weniger aktuellen, aber jedenfalls aktiven
Bewußtseinsinhalten recht wenig naheliegen. — Für den Urheber der zweiten
Schriftprobe ist — bei Geschäftsleuten sicher eine Seltenheit! — gerade die religiöse
Grundeinstellung seines Denkens und Handelns äußerst bezeichnend, wie
auch die Beschreibung seiner Erscheinung vollkommen zutrifft. Er hat tatsächlich
auch im Wesen und Aussehen etwas stark pastorales und ungewöhnlich
strenge Lebens- und Erziehungsgrundsätze. In früheren Zeiten war er
— worauf die Uniform hinweist — Zahlmeister von Beruf, Von den
zahlreichen Kindern sind die beiden herausgegriffen, die sich zur Zeit noch im
Elternhaus befinden. Die andern sind schon länger verheiratet oder selbständig.
Zur Zeit der Drucklegung dieser Zeilen waren die Behandelten noch nicht von
Moeckes Aussagen in Kenntnis gesetzt. —
Ehe ich zu den Eindrücken übergehe, die Moecke in seinen öffentlichen Vor-
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