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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0610
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Zunächst machten mir seine öffentlichen Experimente am 28. Februar 1930
in Stuttgart einen wenig günstigen Eindruck. Ich übergehe das Suchen von
Gegenständen, die in Abwesenheit Marions, aber unter Mitteilung an das ganze
Publikum von irgendeinem der Hörer versteckt worden waren; diese Versuche
sind wertlos, da Helfershelferei nicht ausgeschlossen werden kann, solange das
Publikum über das Versteck orientiert ist; aber auch wenn wir hiervon absehen,
beweist das Gelingen höchstens eine geschickte Ausnützung unbewußter Hilfen
des Publikums und des Marion von hinten leitenden „Denkers4'. Verdächtig war,
daß Marion, als er mit nicht sachgemäß verbundenen Augen eine von einem
Herrn auf dem Podium gemachte geometrische Zeichnung „hellsehen" und auf
eine abseits stehende Tafel zeichnen sollte, an den Tisch herantrat, auf dem die
Zeichnung lag, und darauf nach einem Stück Kreide herumtastete; leicht konnte
er dabei die Zeichnung sehen, die er dann richtig wiedergab, während er bei einer
ihm unzugänglichen, im Saal entworfenen Zeichnung versagte. Später versuchte
er an Hand von Schiiftstücken, die ihm von den Anwesenden übergeben und meLt
in von Marion selbst gelieferte Kuverts gesteckt worden waren, bald den Text
hellzusehen, bald über den Schreiber irgendwelche Aussagen zu machen. Bedauerlich
war, daß sich Marion, obwohl er nur etwa 3 dieser verschlossenen
Briefe besprach, so viele Briefe übergeben ließ, daß das Einschmuggeln vorbereiteter
Schriftstücke leicht gewesen wäre; namentlich dor letzte Versuch, bei
dem Marions verblüffende Angaben sich mit dem Briefinhalt fast ganz deckten
und angeblich aus Diskretionsgründen, die Schreiberin nicht aufgefordert wurde,
sich zu melden, könnte dem Skeptiker den Verdacht der Verwendung eines foei-
cingeschmuggelten Briefes nahelegen. Hiernach würde ich die Leistungen Marions
keiner weiteren Diskussion für wert erachten, wenn er mir nicht über die Schreii-
berin eines Briefes, den ich zu Hause in zwei Umschläge so eingeschlossen hatte,
daß der innere Umschlag mit der Oeffnung nach unten in dem äußeren verklebten
Umschlag steckte, folgendes gesagt hätte: „Ganz auf das Seelische, Ideale eingestellt
, dadurch komplizierte Lebenslagen; es herrschen nur geistige Interessen
vor. Künstlerische Momente, auch Schriftstellerei, aber
nicht ausgenützt." Wie ich nach der Gesundheit des Schreibers frage,
antwortet Marion: „Nervös aber organisch gesund, seelische
Unrichtigkeit. Es ist ihm Ungerechtigkeit widerfahren; der Buchstabe A
steht zu ihm in Beziehung." Zwar findet sich der Buchstabe A im Vornamen
der Schreiberin (denn um eine solche handelt es sich), doch ist dem keine
Bedeutung zuzumessen; alle anderen Angaben aber lassen sich mühelos auf die
S:hreiberin beziehen. Besonders die hervorgehobenen Stellen sind genau richtig,
da die Dame sehr viel gemalt und ein wenig geschrifbstellert hat und mehrfach
in Nervenheilanstalten untergebracht werden mußte. Die Schreiberin ist >n
Stuttgart nur wenigen Personen bekannt, von denen wiederum nur wenige wissen,
daß ich zu ihr in Beziehung stehe. Der Inhalt des von Marion nicht geöffneten
Briefes, der sich zur Hälfte auf meine Beschäftigung, zur anderen Hälfte auf die
Vermögenslage der Dame bezog, konnte höchstens die Angabe begründen,
daß der Schreiberin Ungerechtigkeit widerfahren sei, da der Brief sie ziemlich
deutlich als ein Opfer der Inflation zeigte. Alles andere ließ sich aus dem Text
des Briefes nicht ermitteln. Vielleicht hätte ein guter Graphologe dasselbe bei
gründlicherem Studium der Schrift sagen können, aber meines Erachtens ist der
Brief verschlossen geblieben; mindestens ist es ausgeschlossen, daß Marion, der
stets im Saal blieb, den während der kurzen Zeit, in der er sich unter den anderen
Schriftstücken befand, etwa heimlich geöffneten Brief genauer studieren
konnte. Ich halte es daher für wahrscheinlich, daß Marion hier eine telepathische
Fähigkeit gezeigt hat, wenn sich auch nicht beweisen läßt, datß
ihm nicht glückliches Raten zu seinem Erfolg verhalf; das ließe sich wiederum
nur durch eine längere Versuchsreihe entscheiden. '

Wissenschaftlich befriedigender als sein hellseherisch wohl begabterer Kollege
Möcke verhält sich Marion insofern, als er seine Angaben in einem Zuge macht
und erst am Schluß eine Bejahung oder Verneinung verlangt, während Möcke
sich im allgemeinen Punkt für Punkt bejahen oder verneinen läßt, was die
Sache wesentlich erleichtern kann.

In seinem zweiten Experimentalvortrag (Freitag, 7. März) hatte Marion
meinen oben wiedergegebenen und in einer Stuttgarter Zeitung zum Ausdruck
gebrachten Bedenken gegen manche seiner Versuchsanordnungen Rechnung


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