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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0612
566 "Zeitschrift für Parapsychoiogie. 9. Heft. (September 1930.)

ich in einer Besprechung des ersten Abends seine Versuchsbedingungen beanstandet
hatte. Man sieht, diese öffentlich auftretenden Hellseher haben <es
nicht leicht, so zu experimentieren, daß auch von anspruchsvollen Untersuchern
— und nur deren Urteil hat irgendwelchen Wert — alle Lücken in der
Versuchsanordnung als verstopft angesehen werden können.

Leider brachte die Privatsitzung am Samstag, 8. März 1930, im Haus des
Stuttgarter Neuen Tageblatts keine deutliche Entscheidung über Marions Fähigkeiten
. Es fanden hier 10 Experimente statt; die 4 ersten waren psychographo-
Iogische Versuche, bei denen Marion die Schreiber von Schriftstücken charakterisierte
, die er aus einer größeren Anzahl ihm von den Anwesenden zur Verfügung
gestellter, teils offener, teils verschlossener Briefe oder Karten auswählte.
Die 2 ersten Schriftstücke waren offen, die 2 folgenden verschlossen. Als gelungen
kann man nur den zweiten dieser 4 Versuche ansehen, den ich unten
wiedergeben will; die 3 anderen boten wohl nicht mehr als das, was bei einigermaßen
glücklichem Raten jeder von uns hätte sagen können. Der 5. Versuch
betraf, was Marion nicht wußte, die Beurteilung einer in einem Umschlag verwahrten
Photographie. Dieses Experiment war ein völliger Fehlschlag; Marion
glaubte, es handle sich um eine wohltuende, einnehmende, sympathische Persönlichkeit
, während der Polizeirat, der das Bild geliefert hatte, am Schluß erklärte
, die dargestellte Person (erst jetzt erfuhr Marion, daß es sich um eine
Photographie handelte) sei ein Lustmörder und wohl die roheste Persönlichkeit,
die ihm tn seiner Praxis je vorgekommen sei. Die psychometrischen Versuche
6 und 7 waren ebenfalls so gut wie wertlos. Die 3 letzten Versuche nannte
Marion „TeleVisionen"; hier sagt ihm einer der Anwesenden irgendein wichtiges
Datum aus seinem Leben mit genauer Angabe der Stunde und des Orts; Marion
sucht dann das betreffende Geschehnis zu rekonstruieren. Von diesen 3 Versuchen
war nur der dritte nicht ganz mißlungen; doch erzielte ich selbst bei
bloßem Erraten der Geschehnisse (es handelte sich um eine Geburt, eine Hochzeit
und um einen Brand) ein günstigeres Ergebnis als Marion.

Ich berichte nun ausführlich über den einen gelungenen Versuch; es war
der zweite der ganzen Serie. Marion wählte aus den ihm vorgelegten Schriftstücken
eine offene, unadressierte, zweiseitig beschriebene, nicht leicht leserliche
Karte und sagte über den Schreiber: „Es war etwas in der Kindheit, was
sich gleichsam mit durch das Leben zog, dumpfes Ereignis von großer Auswirkung
; es ist mir, als ob eine Umstellung des Aufenthaltsorts in der Kindheit
stattgefunden hätte." (Die Schreiberin, Schwester der anwesenden Frau Apotheker
P., ist als achtjähriges Kind schwer an Typhus erkrankt, sde wurde deshalb
lange Zeit sehr verwöhnt, was ihr ganzes Leben beeinflußte; bald nach der
Krankheit mußte sie den Aufenthaltsort wechseln, um eine höhere Schule zu
besuchen1); Hinweise auf diese Dinge kann ich in der Karte, die vor mir liegt,
nicht finden.) Marion: ,,Der Schreiber lebt augenblicklich in einer ihm betrauernden
Umgebung, die ganz auf ihn eingestellt ist und alles für ihn tut."
(Die Schreiberin war zuerst reich verheiratet und lebt in zweiter, zwar glücklicher
, aber finanziell schwieriger Ehe, so daß ihre Verwandten und ihr Mann
sie oft bedauern; doch tut der Mann alles für sie1). Aus der Karte geht nur
hervor, daß die Schreiberin in finanziell schwierigen Verhältnissen lebt und offenbar
sehr an ihrem Manne hängt.) Marion: „Das gesteckte Ziel wird zu einem
gtmstigen Resultat führen; die Zähne sind auffallend sehr gleichmäßig." (Die
Schreiberin und ihr Mann hoffen durch die Kunst des Mannes einmal hochzukommen
; der Mann verlor im Feld seine Zähne und hat ein sehr gleichmäßiges,
künstliches Gebiß1). Aus der Karte konnte man entnehmen, daß eine Ausstellung
beschickt werden sollte und die Schreiberin dabei auf einen Verkauf
hoffte; auffälligerweise spricht die Karte vom Zahnarzt und zwar in folgender
Weise: Beide waren wir beim Zahnarzt, Will ist noch lang nicht fertig, der
Zahnarzt kriegt dafür eine Plastik.) Schließlich erwähnt Marion richtig den
Buchstaben „M" als mit der Schreiberin in Beziehung stehend, da aber die
Karte „Grete" unterschrieben ist, können wir diesen Punkt nicht als beweiskräftig
ansehen. Allerdings scheint er nicht bemerkt zu haben, daß die Schrift
von einer Dame stammte. Sicher hat Marion die Karte nicht eigentlich gelesen,

i) Alle diese Angaben machte Frau P. erst, als Marion ganz fertig war.


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