Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0614
568

Zeitschrift für Parapsychologie. 9. Heft. j[September 1930.)

verschollen. (Großes Gelächter.) Verlassen Sie sofort die Bühne, mein Herr, ich
kann Sie nicht gebrauchen."

Nachher behauptete der Herr, H. habe dies alles von ihm während der
Pause erfahren, habe ihm auch gesagt, das Kuvert geschlossen ihm am Podium
zu geben. Hat nun der Herr aus Pique wegen seiner Brüskierung H. zu diskreditieren
versucht? Wieder entsteht die Frage, hat H. betrogen oder ist er
betrogen worden?

Nebenbei sei bemerkt, daß ein Schüler von mir, der als erster die Bühne
betrat, H. in meinem Auftrag eine Probe meiner Handschrift zu analysieren
übergab. H. lehnte die Schrift ab mit der Begründung, sie sei nicht bedeutend
genug, um eine Analysierung zu rechtfertigen. (Kein Kompliment für einen international
bekannten, viel gereisten Musiker!) Als ich ihm aber später meine
goldene Uhr zwecks psychometrischen Experiments selbst übergab, sagte er:
„Diese Uhr hat die ganze Welt gesehen, von Norden bis Süden. Der Besitzer
ist als Kind unendlich viel bewundert worden. Die Uhr war ein Ehrengeschenk.
Der Besitzer spielt entweder Harfe oder Geige, denn ich höre Musjktöne. Er
ist ein sehr feinfühliger Mensch." Alles zutreffend, doch sei bemerkt, daß ich
im vorhergehenden Vortrag H. durch seinen Impresario, der mich fragte, ob ich
der bekannte Geiger sei, vorgestellt wurde, so daß mit der Möglichkeit gerechnet
werden mußte, daß er über meine Person etwas Bescheid wissen konnte.
Zwar hätte er nicht gut wissen können, daß die Uhr mir tafsächlich nach
einem Konzert geschenkt wurde. Hier könnte es sich höchstens um einen Zufallstreffer
oder um eine kluge Kombinationsgabe (nachdem H. das Monogramm
auf der Uhr bemerkt hatte) handeln. Jedenfalls kein ganz einwandfreies psychometrisches
Experiment.

Auch ich drang mit einem Zettel während der Pause zu ihm vor. Ich hatte
Ort, Stelle, Zeit und Jahr eines schweren Unfalls, den ich erlebt hatte, aufgeschrieben
. H. beanstandete, daß die Hausnummer fehlte und sagte: „Ich sehe
sofort auf televisionärem Weg, daß es sich um einen Einbruch gehandelt hat,
ohne Hausnummer kann ich aber nichts weiteres sagen." (Man versteht nicht
so recht, warum die Hausnummer eine so große Rolle dabei spielen soll, müßten
doch Zeit- und Ortsangabe maßgebend sein.)

Er behielt den Zettel, natürlich kam dieser aber nicht zur Verlesung» H.
ist also in diesem Falle eine telepathische Verbindung mit meinen Gedanken
nicht gelungen, sonst hätte er nicht von einem Einbruch gesprochen im Augenblick
, wo ich an einen Unfall intensiv dachte. Ich halte es für nicht ausgeschlossen
, daß, wenn ich, wie mancher Unvorsichtige, ihn an der Stelle korrigiert
hätte, er dann den Zettel hätte vorlesen lassen, um gleich daran von einem
Unfall zu sprechen. Daß er gelegentlich Unechtes für Echtes vortäuscht, beweist
der folgende Fall: Beim Muskellesen gelang es ihm in Dessau, die in
einem geschlossenen Kuvert bezeichnete Dame, die mit uns war, ausfindig zu
machen. H. bat diese Dame, indem er ihr den geschlossenen Umschlag aushändigte
, die Bühne mit ihm zu betreten. Dann redete er sie sehr hörbar als
Frau R. an, sagte dann: „Uebrigens heißen Sie nicht Frau R., sondern Prinzessin
R."

Da er den Umschlag noch nicht geöffnet hatte, machte dies den Eindruck
eines echten Hellsehens oder eines telepathischen Einfalls. Erst nachher erfuhr
ich von der Dame, daß H. beim Besteigen des Podiums sie leise gefragt hatte:
„wie heißen Sie?" Ohne zu überlegen, gab sie ihren Namen zu. H. nützte dies
aus, um ein Phänomen vorzutäuschen.

Zusammenfassend glaube ich, daß H. doch echte okkulte Kräfte besitzt,
es scheint aber, als ob er mit Vorliebe den artistischen Weg benützt, möglicherweise
, um sein echtes Können zu schonen. Ich halte es daher für mindestens
zweifelhaft, ob seine öffentlichen Demonstrationen eine gute Propaganda für die
Parapsychologie bedeuten.

Daß es übrigens ein Hellsehen auf Kommando gibt, weiß ich durch ein
Erlebnis meiner Mutter. Sie besuchte einen amerikanischen Hellseher und fragte
ihn nach dem (ihr unbekannten) Befindeort eines gewissen Briefes, indem sie
nebenbei um Angabe eines Teils des textlichen Inhalts bat. Nach kurzer Pause
gelang es dem Hellseher, nicht nur positive, nachträglich bestätigte Angaben
über den Verbleibsort des Briefes zu machen, sondern er las ganze Sätze aus
dem Brief vor, deren Richtigkeit nachher bestätigt wurde. Das ist echtes Hellsehen
, das mit Telepathie nicht verwechselt werden kann.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0614