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Zeitschrift für Parapsychologie. 9. Heft. (September 1930.)
äußerer Eindrücke auf den Organismus (Darwins M i m i c r y , das Versehen
schwangerer Frauen), die Stigmatisation usw.
Mein lieber Freund Mikuska und seine Frau, die ich aufrichtig verehre,
dürfen sich über diese Erklärung nicht ärgern, daß sie vielleicht die unschuldige
und unbewußte Ursache eines — im übrigen ja vorübergehenden — Unglücks
gewesen sein könnte.
Können wir uns denn überhaupt die Einflüfte, die Ausstrahlungen und Auswirkungen
, die sich andauernd in unserer Umgebung kreuzen und denen wir
ständig ausgesetzt sind, ausmalen?
Das Blut als Od-Trägen
Von Martin Seit, Breslau.
Bei mehreren Sitzungen eines Breslauer Zirkels, wo zum Teil epochale
Apporte erzielt wurden, erging vorher seitens des „Kontrollgeistes" die Weisung,
es solle von der Runde ein bestimmtes Quantum Wasser getrunken werden.
Einmal handelte es sich sogar um die respektable Menge von fünf Liter, die
der „Geist" verlangte, um sich manifestieren zu können. Damals — es war in
der schauerlichen Frostperiode vom Februar vorigen Jahres — hatte unsere Wasserversorgung
wieder einmal versagt. Man mußte die fehlende Menge durch
Stichrohre der Oder entnehmen, und es bedurfte starker Chlorung, um etwaige
Keime abzutöten.
Es war also kein reiner Genuß, solch einer Wasser-Orgie zu frönen, und
der „Befehl von oben" wurde denn auch nur teilweise ausgeführt. Mit dem Endergebnis
, daß an diesem Abend, trotz glänzender Disposition des Mediums, kein
Resultat erzielt wurde.
Als wir, ziemlich enttäuscht, das Experiment abbrachen und wieder zur
Planchette zurückkehrten, fragten wir unseren Spirit, zu welchem Zweck eigentlich
der große Flüssigkeitskonsum dienen solle. Die Antwort lautete, aus der
aphoristischen Sprache der Schreibtafel in unser Deutsch übertragen, etwa so:
Das Wasser habe den Effekt, den Blutkörperchen — hier zitiere ich wörtlich —
„jene erhabene Spannung zu verleihen", weiche zum Gelingen eines Apports
nötig sei. Wir wußten damals mit diesem orphischen Worte nicht viel anzufangen
, haben aber an der Praxis festgehalten, in jeder Seance Wasser zu trinken.
Und spätere schöne Erfolge berichten, daß es gut so war.
Später war ich, in einem andern Kreise, Zeuge einer spontan und stark auftretenden
Medialität bei einer 16jährigen, sehr nüchtern und skeptisch veranlagten
Lyzeumsschülerin. Das junge Mädchen trank am diesem Abend eine
Menge Wassers, vor der mir — es war noch tiefer Winter — schauderte. Auch
bei weiteren, übrigens sehr ergebnisreich verlaufenen Sitzungen, über die noch
zu berichten sein wird, hielt sie daran fest. Sie nannte dies scherzhaft: „Tanken."
Nach wenig Wochen verlor sich leider diese starke mediale Kraft (die neuerdings
wieder aufzuleben beginnt). Seltsamerweise schwand mit dem Erlöschen der
Kraft auch das Bedürfnis zu „tanken".
Diese Duplizität der Fälle, in denen das Wasser die Odstrahlung des Blutes
anscheinend begünstigte, gab zu denken. Es kamen einem die kultischen
Bliitsopfer der alten Kulturvölker und der heutigen Primitiven in den Sinn,
oft zum Zwecke der „Geisterbeschwörung" angewandt. Daß Blut ein ganz
besonderer Saft ist, war schon vor Goethes Faust bekannt. Man entsinnt sich der
rituellen Schächtung bei den Juden, bei welcher der Hauptwert auf die möglichst
völlige Entblutung des Tieres gelegt Wird. Well Blut als Träger des
Lebens und weiterhin der Seele gilt. •
Nun stieß ich unlängst bei der Lektüre von Homers Odyssee auf jene
Szene, wo der edle Leartide ins Land der kimmerischen Männer kommt und dort
am Strande den Geist des „alten Thebäers Teiresias" heraufbeschwört. Es ist der
„Eilfte Gesang" in der Voßschen Uebertragung, und 'diese Beschwörungsszene
so interessant, daß man mir gestatten möge,, sie in extenso zu zitieren:
Allda hielten die Opfer Eurilochos und Perimedes,
Aber nun eilt ich und zog das geschliffene Schwert von der Hüfte.
Eine Grube zu graben, von einer EIF ins Gevierte.
*Es folgt das übliche Totenopfer, bestehend aus Honig, Milch, süßem Wein
und Wasser „mit weißem Mehle bestreut".
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