http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0639
Price: Berichte über Laboratoriumsversuche mit Rudi Schneider. 589
scheinen würde. Wenn der Leser eine Anzahl Papierbögen von verschiedener
Färbung nimmt und sie unter der Lampe einer Dunkelkammer» untersucht,
wird er sehen, wie man sich bei Rotlicht über Farben täuschen kann.
Ist es möglich, auch nur die Trance nachzuahmen, in welche Rudi während
der Hervorbringung der Phänomene verfällt? Niemand hat bis jetzt die
Verwegenheit gehabt, es zu versuchen. Ich habe versucht, die» keuchende Atmung
nachzuahmen, die Rudis Trancezuckungen begleitet, war aber in sechseinhalb
Minuten erschöpft. Dennoch verharrt Rudi stundenlang hintereinander
in diesem anstrengenden (gruelling) Trancezustand, während der Schweiß an
ihm herabrinnt. Dr. William Brown, der hervorragende Psychotherapeut, hat
die Ansicht geäußert — die jeder Laie bestätigen würde, der Rudi in der
Trance gesehen hat — daß der Trancezustand des Mediums „eine echte, selbst
herbeigeführte hypnotische Trance'* ist und wir haben gesehen, wiei sich sein
Puls beschleunigte, solange der Junge bewußtlos war. Kann unser größter
Gegner, der ärgste Skeptiker oder der hyperkritischste Materialist annehmen,
daß Rudi in dem erschöpfenden Trancezustand unter fortwährender Unterhaltung
, von zwei Personen und \ier elektrischen Stromkreisen kontrolliert,
betrügerischere eise Knoten in Taschentücher knüpfen, Vorhänge über unsere
Köpfe schleudern oder bei gutem Licht Glieder hervorzubringen \ermag, die
Zielstrebigkeit besitzen und auf intelligente Weise bewegt werden? Undi daß
er diese gleichen Manifestationen mit einem ständig wechselnden Zirkel und
verschiedenen Kontrolleuren erzeugen kann? NHit nur in London, sondern
in verschiedenen Teilen Europas bei vielen verschiedenen Forschern?
Es war dem Jungen nicht nur physisch unmöglich, ein einziges Phänomen
unter unseren strengen Bedingungen betrügerisch hervorzubringen, sondern
es wäre auch sehr schwierig für ihn gewesen, einige der Phänomene nachzu
ahmen, wenn alle seine Glieder frei gewesen und er gar nicht kontrolliert
wäre. Ich habe zeitlebens betrügerische Methoden studiert, ich weiß, welcher
Apparate es zur TIervorbringung des einfachsten Phänomens, etwa des Empor-
schweb^ns eines Taschentuches vom Boden und seiner Handhabung, wiej wir
es sahen, bedürfen würde. Die Drahte. Zugvorrichtungen usw., die erforderlich
wären, sind zahlreich und es würde jemand seinem ganzen Bewegungsfreiheit
bedürfen, um sie in Bewegung zu setzen und das Taschentuchphänomen,
das wir sahen, vorzutäuschen — ganz zu schweigen von allen Vorrichtungen,
die nötig wären, um einen Knoten zu machen! Dies ist kein parteiischer Bericht
, ich spreche auf Grund gründlicher Kenntnis dessen, was mit Taschenspielerkunststücken
hervorgebracht werden und was nicht damit gemacht werden
kann. Wenn wir Rudi bei einer betrügerischen Handlung erwischt hätten,
würden wir ihn entlarvt haben. Aber der einfachste Salontrick bedarf gewisser
Vorbedingungen. Wenn man sie beseitigt, ist es aus mit dem
Trick. Der junge Maskelyne bedurfte für seine „01ga"-Atrappe eines festen,
mechanischen Kabinettes, dessen Herstellung, wie ich höre, 4o Pfund (800 M.)
kostete. Er beduifte eines versteckten Einganges und Ausganges am Kabinett.
Er brauchte eine Falltüre auf der Bühne und einen Assistenten unter der
Bühne, der die Gegenstände heraufreichen und die Falltüre betätigen mußte.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0639