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Schmidt: Experimente mit dem Metagraphologen Reimann-Prag. 601
2. Ueber den B <» r u f und l'mgang des Schreibers:
a) Aus der Schrift eines Getreidehändlers erkannte er, daß er mit
einem Vergrößerungsglas arbeite und zeichnete eine Lupe auf, die gewöhnlich
\on Getreidehändlern zur Lntersuckung von Samen verwendet wird.
b) Aus der Schrift eines Arztes (Manuskript zu einer Schrift über Geschwülste
) schilderte er, daß er sich momentan mit Wucherungen befasse, die
er zerkleinere und studiere.
3. Ueber das Milieu, in dem der Schreiber lebt:
a) Aus der Schrift eines Inhabers einer Restauration und Weinstube
erkennt er, daß es dort, wo er sich meist aufhalte, ganz eigenartig penetrant
, wie nach Speisen und Alkohol rieche.
b) In einem anderen Falle erkannte er, daß der Betreffende irgendwo e i n-
gesperrt war und sich wie tobsüchtig gebärdete; tatsächlich war der Schreiber
einmal vor vielen Jahren wegen einer Geistesstörung interniert.
c) Von einem anderen schilderte er das Milieu in einer solchen Art, daß
man daraus nur auf eine Gefangenenz eile schließen konnte, aus deren
kleinen Fenstern er sehnsüchtig herausschaue; die Schrift entstammte einem
Menschen, der mehrere Wochen, nachdem er die vorgelegte Schriftprobe geschrieben
hatte, tatsächlich wegen eines eigenartigen Betruges eingesperrt war.
/j. Aus der Unterschrift eines längst justifizierten Raubmörders schilderte
er denselben, d*e Art, wie er sein Verbrechen ausführte (durch Erwürgen),
schilderte ihn in der Zelle und seine große \ngst vor dem Hängen.
5. Ueber körperliche Gebrechen und Krankheiten:
a) In einem Falle schilderte er, daß der Betreffende auf der linken Seite
nicht sehe, dabei aber das \uge nicht krank wäre (der Betreffende litt an
einer linksseitigen Halbsei tenbliudheit, sogenannten Hemianopsie).
b) Aus einer anderen Schrift erkannte er, daß der Schreiber eine Affektion
des Bauches habe und eine Bauchbinde trage.
c) Er erkannte aus der Schrift* die über ein Jahr vor dem Tode des Schreibers
geschrieben war, daß derselbe an einem Krebs zugrunde ging.
Prof. Fischer betont ausdrücklich: die mehr als zur Genüge in den verschiedensten
Varianten gemachten \ ersuche schlössen jed>\ede bewußte oder unbewußte
Täuschung aus, und kommt weiter zu der Feststellung, daß auch die
graphologischen Leistungen nicht so zu weiten seien wie die eines schulmäßigen
Graphologen, sondern daß solche Leistungen auf außersinnlichem Woge zustande
kämen; die Erfassung des Schreibers bei Vorlage einer Schrift (auch bei
Ausschluß des Auges) sei ein Vorgang, welcher dem Vorgange gleiche, den ein
Sensitiver zeige, wenn er bei Vorlage eines Gegenstandes Abschnitte der Geschichte
dieses Gegenstandes erfasse, also etwas, was man mit dem alten Namen
..Psvchometrie" bezeichne.
Im Gegensatz zu Bafael Schermann, dessen Fähigkeiten durchaus an die
Schrift gebunden sind, zeigt Otto Reimann aber auch ausgesprochen gute Leistungen
auf dem Gebiete reiner Psychometrie, oder der pragmatischen
Meläslhesie, wie Prof. Fischer es nennt. Er hat auf diesem Gebiete mit Reimann
17 Experimente angestellt, die nach ihm in zwei Gruppen zerfallen.
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