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614 Zeitschrift für Parapsychologie. 10. Heft. (Oktober 1930.)
3. Fall. Ein Sehreiben, von Dr. Achelis vorgelegt, mit der Angabe: Ein
Mann von 3o Jahren.
Reimann: Der Mann hat eine charakteristische Sache gemacht. In seinem
Leben muß ein sehr markantes Ereignis gewesen sein. Es ist schwer, so etwas
klarzumachen oder etwas ganz Spezielles anzugeben. So bin ich z. B. nicht in
der Lage, in dem Fall etwa, daß mir die Handschrift Eckeners vorgelegt wird,
zu sagen, daß der Schreiber ausgerechnet im Luftschiff um die Welt gefahren
ist. Aber um etwas Analoges muß es sich handeln .. . Außerdem hat der Mann
einen merkwürdig breiten Gang, etwas seh wankend, so wie jemand, der auf
einem Dampfer gefahren ist. — Der Schreiber ist durchaus begabt. Er dürfte
viel schreiben Was er schreibt, sieht sehr flüssig aus, aber er ringt es sich
schwer ab ... Er hat eine bestimmte Bewegung, die er gern macht: blonde
Haare streicht er sich aus der Stirn ... Er erinnert etwas an einen Vulkan,
prächtig anzuschauen, nicht schön darauf zu wohnen. Er ist sehr lebhaft und
doch sehr selbstbeherrscht ... Die Augen machen einen sympathischen und an -
ziehenden Eindruck ... Er hat weitfliegende Pläne und Absichten. Er hat eine
größere Idee in sich schon von Jugend an. Nach der Schrift müßte er eigentlich
älter sein als 3o Jahre. Ich habe den Eindruck, der Mann ist physisch sehr
durcheinander gerüttelt und solche Leute haben so etwas wie eine parapsychische
Begabung; doch kann ich das nicht genau sagen. Er ist ein wenig
pietistisch angehaucht. Es ist eine besondere Art von Religiosität, von einer
etwas lächerlichen Art.
Epikrise von Dr. Achelis: Es handelt sich um einen sehr begabten Menschen
, der aus eigener Kraft Philosophie studierte, promovierte, und plötzlich,
kurz entschlossen, als junger Doktor sein Studium hinlegte, sich als Matrose
meldete und als Matrose eine zweijährige Weltreise machte. Nach Rückkehr
schloß er das medizinische Studium an, vor dessen Beendigung er steht. Die
charakteroiogischen Bemerkungen, auch in puncto parapsychische Begabung,
sowie di<v Charakterisierung des Ganges stimmen.
4. Fall. Brief, vorgelegt von Dr. Schmidt, etwa 3o Jahre, weiblich.
Reimann: Eine außerordentlich gebildete Dame. Sehr intelligent. Als
Mädchen hat sie sich bereits einen Namen gemachl. Hat einen Doppelnamen.
Hat sich viel mit Charakterologie und Psychologie befaßt ...
tDa Herr Reimann — es ist mittlerweile fast n Uhr geworden — sehr abgespannt
ist, wird der Versuch abgebrochen und von weiteren Versuchen abgesehen
.
Epikrise von Dr. Schmidt. Es handelt sich um die bekannte Tänzerin
Lucio Kieselhausen. Sehr intelligent, gebildet, als Mädchen schon bekannt und
Doppelnamen stimmen. Das besonders Charakteristische an ihr, in ihren Charaktertänzen
liegend, ist nicht erkannt, will man nicht etwa eine Hindeutung
darauf der Bemerkung „befaßt sich mit Charakterologie und Psychologie" entnehmen
. So ist dieser Fall nur zum Teil als positiv zu werten.
Leider mußte Herr Reimann bald darauf wieder nach Prag zurückkehren,
so daß die Versuche zunächst nicht fortgesetzt werden konnten. Doch geht
gewiß schon aus den bisherigen Versuchen hervor, daß wir es hier mit einem
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