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616 Zeitschrift für Parapsychoiogie. 10. Heft. (Oktober 1930.)
zur Sprache kommen sollen; sondern ich verzichte auch, auf jede Kritik der
Tatsachen bezüglich ihrer Bezeugung. Wollten wir eine solche in unsre Betrachtungen
einbeziehen, so würden sich diese ins Unerträgliche dehnen. Wer
also so unwissend ist, daß ihm die Tatsachen auch heute noch als unglaubwürdig
gelten, an den wende ich mich nicht mit den nachfolgenden Ausführungen.
Ich bemerke nur ein für allemal, daß die hier herangezogenen Berichte nur der
relativ besten Literatur entnommen sind. Nicht alle „guten" Fälle kon/nfeti
berücksichtigt werden; aber die berücksichtigten Fälle sind überwiegend
„gute". —
Die für den völlig Unvoreingenommenen natürlichste und daher auch die
populäre Deutung des Spuks ist die spiritistische, und ich werde manches zu
ihrer Stützung anzuführen haben. Selbstverständlich aber gebietet die gegebene
wissenschaftliche Lage, diese Deutung nicht an den Anfang, sondern höchstens
ans Ende zu stellen. Erst wenn die nichtspiritistischen. aho die animistischen
Deutungen erschöpft sind, dürfen wir die populär geltende in Erwägung ziehn.
Unter diesen animistischen Theorien ist diejenige des großen Zweiflers Podmore
wohl die fragwürdigste. Nach ihr sind die Spukwrahrnehmungen Halluzinationen
, welche im äußersten Fall auf telepathischem Wege seitens
entfernter Lebender den Bewohnern des Spukorts beigebracht werden1). Nehmen
wir den Fall: A., eine Person, die ein gewisses Haus zum erstenmal betritt,
sieht dort die Gestalt eines Unbekannten B., umberwandeln, die sich nachträglich
durch Bilder oder Beschreibungen als die eines verstorbenen früheren
Bewohners des Hauses identifizieren läßt. A. hat B. bestimmt nicht gekannt
und ihn doch in seiner wahren Gestalt erblickt; aber — so argumentiert
Podmore — C, ein entfernter Lebender, hat ihn gekannt, und wenn G. an
jenes Spukhaus oder an B. denkt, so überträgt er telepathisch ein Bild des
Verstorbenen auf A. Nun gibt es bekanntlich Spukhäuser, in denen sozusagen
jeder Neuankömmling alsbald die gleiche SpukgestaJt wahrnimmt. Es grenzt
ans Wunder, daß in allen diesen Fällen unser C. sich sogleich als telepathischer
Geber betätigen soll, oder daß er immer gerade die Gestalt jenes früheren Bewohners
, und nicht auch ganz andre Vorstellungen auf die verschiedenen A.s
übertragen soll, wenn er denn schon in telepathischen Verkehr mit ihnen tritt.
Gar nicht zu reden von allen Bestandteilen eines guten Spuks, die sich gar nicht
als übertragene Vui Stellungen verstehen lassen, wie die unglaublichsten Lärmphänomene
oder gar die physikalischen. Podmores Theorie richtet sich selbst
durch ihre Unnatürlichkeit 2).
Aussichtsreicher schon mutet eine Theorie an, welche sich auf den neuerdings
immer wichtiger werdenden Begxiff der sog. P s ) c h o m e t r i e atül/t "M.
Es sollen Einflüsse an dem Spukort haften, Imprägnationen durch affektstarke
Eilebnisse, fluidische Durch^ränkungen durch die ehemaligen Bewohner des
*) Vgl. besonders Proceedings S. P. R. VI 229 ff.; Studies in Psychical Research
298ff.; einlenkend: The Naturalisation of the Supernatural 274.
2) Gegen ihre erste ausführliche Darstellung polemisiert sehr energisch
F. Myers in Proc. S. P. R. VI 314 ff.
J) Vgl. ihre ausführliche Darstellung und Begründung bei Bozzano, Les
phenomenes de hantise, chap. VI, p. 16t ff.
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