http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0667
Mattiesen: Ueber die psychologische Seite des Spuks.
617
Spukorts — was weiß ich? —, die den Beobachter zum Hellsehen befähigen,
ihn etwas von der Geschichte des Spukorts und seiner Bewohner halluzinatorisch
nacherleben lassen. Natürlich müßten dann etwaige p h y sik a 1 i s c h e Bestandteile
des Spuks wohl von dem Beobachter selbst als Medium
erzeugt werden, unter dem Einfluß seiner psychometrischen Beeindruckung.
Es wäre allerdings höchst seltsam, daß unter Umständen jeder, der ein Spukhaus
betritt, alsbald zum psychometrischen Hellseher und zum physikalischen
Medium würde, und zwar nur, solange er sich im Spukhaus aufhielte, während1
sich diese Fähigkeiten wieder verflüchtigten, sobald er dasselbe verließe. Seltsam
in der Tat; aber was nimmt man' nicht an, wenn es gilt, einer spiritistischen
Deutung aus dem Wege zu gehen?
Indessen sind auch damit die Schwierigkeiten der psychometrischen Theorie
noch nicht erschöpft. Unser Beobachter müßte auch noch Materialisatio-ns-
medium sein; denn es läßt sich meines Erachtens erweisen, daß manche
Spukphantome mehr-als-halluzinatorischer Natur, daß sie quasi-objektive
Dinge im Räume sind. Ich kann den langwierigen Nachweis dieser Tatsache
hier nicht liefern*); aber einige wenige Argumente zu ihren Gunsten seien
wenigstens angedeutet. Es gibt Spukphantome, die nicht nur kollektiv, d. h.
von mehreren gleichzeitig gesehen werden, sondern sukz e ssi o n a 1 -kollektiv
, d. h. von mehreren nach einander so, wie ein sich wirklich im Raum, bewegender
Körper an verschiedenen Punkten seiner Bahn von verschiedenen
Beobachtern gesehen werden müßte; oder stereoskopisch -kollektiv, d. h.
von mehreren gleichzeitig so, wie er ihnen von, verschiedenen Blickpunkten
aus erscheinen müßte. Es gibt ferner Phantome, deren Schatten oder deren
Spiegelbild gesehen wird, ehe sie selbst erblickt werden, und es gibt auch
Phantome, deren Berührung objektive Spuren hinterläßt: Rötungen, Brandstellen
u. dgl. m. Auch die eisige Kälte, die bei der Annäherung eines Phantoms
meist gespürt wird, ist in diesem Zusammenhang zu erwägen 2).
Indessen könnte so viel von Objektivität des Phantoms am Ende noch zugestanden
werden, ohne daß damit dem Spuk dasjenige zugeschrieben wäre,
was den eigentlichen Gegenstand unsrer Frage bildet: Ein seelisches*
Eigenleben. Das objektive Phantom könnte ja schließlich immer noch
eine sonderbare Art von körperlichem Ueberbleibsel eines Verstorbenen sein,
ohne psychische Elemente irgendwelcher Art; ein passhes und totes Ding im
Räume, langsam zerfallend, wenn auch langsamer, als der Leib von Fleisch
und Blut. Ob der Spuk also auch über diesen Bestand hinausgehe, ob er ein
seelisches Eigenleben verrate, wie es die spiritistische Anschauung als Minimum
fordern müßte, um zu Recht zu besteben, das ist das besondere Problem,
dem wir uns nunmehr zuwenden und dessen Lösung wir durch eine analytische
Betrachtung von Einzelheiten der Spukbeobachtung erstreben
wollen. Wir beschränken uns dabei zunächst auf jene Gattung
*) Einschlägiges in Kap. XLIX meines Buches „Der jenseitige Mensch",
S. 519 ff.
2) Die Photographie eines Spukphantoms veröffentlichte IHig in Ztschr.
f. Parapsychologie, Bd. IV (1929) 62.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0667