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aber auch im Hause zu ertönen scheinen. Am 29. Dezember hört Frau v. X*
Lärm im Zimmer eines im Schlosse lebenden Abbes und geht in dessen Begleitung
hinauf. Sie hört im Zimmer herumräumen, streckt die rechte Hand
aus, um die Türklinke zu öffnen, sieht aber sogleich, noch ehe sie die Klink©
berührt hat, wie der Schlüssel sich umdreht, aus dem Loch hervorkommt und
sie auf die linke Hand schlägt. Auch der Abbe ist Zeuge hiervon. Die Stelle
der Hand war noch nach zwei Tagen empfindlich und gerötet. Im Januar
wiederum Schläge, Trommelwirbel, Gebrüll. Am 20., während der Abbe am
offenen Fenster liest, fällt eine Wassermasse aus dem Kamin aufs Feuer, so daß
es auslöscht und die Asche emporwirbelt. Draußen herrscht seit Tagen herrliches
Wetter. Ein andermal spielt Herr v. X. auf dem Harmonium, Als er das
Instrument schließt, wird ein Teil der eben gespielten Melodien in der gegenüberliegenden
Ecke des Salons wiederholt. Ein anderes Mal erhebt sich eina
schwerbepackte Kommodo etwa 5o Zentimeter in die Höhe und bleibt längere
Zeit in der Schwebe. Die Schloßbewohner wechseln, der Spuk bleibt derselbe.
Er ist also'anscheinend ortsgebunden, nicht mediengebunden1).
Zieht man bloß die Reichhaltigkeit der physikalischen Phänomene in solchen
Fällen in Betracht, so stehen diese in unmittelbarer Nähe jener' Spukbeobachtungen
, die, wie gesagt, von der englischen Forschung unter dem deutschen
Namen Poltergeist von den bisher besprochenen Fällen von Spuk
im engeren Sinne (haunting) abgesondert werden. Sie unterscheiden sich von
den letzteren, wie schon angedeutet, dadurch, daß sie ganz überwiegend oder
fast nur physikalische Phänomene, also Telekinesien beobachten lassen,
weit weniger oder gar nicht phantomhafte Gestalten oder menschliche Laute;
ferner dadurch, daß sie weit augenscheinlicher an eine lebende Person als
Medium, anstatt nur an einen Ort gebunden erscheinen. Ich möchte diesem
Tatsachengebiet hier, wo wir ihm nahegekommen sind, nicht ganz aas dem
Wege gehen, vielmehr die Frage auch seiner psychischen Bestandteile kurz
erwägen. Wir werden nach dieser kleinen Abschweifung zu der Frage des;
Spuks im bisherigen Sinne zurückkehren und vielleicht dabei feststellen, daß
es sich nicht einmal so sehr um eine Abschweifung gehandelt hat, daß vielmehr
beide Teilgebiete des Spuks einander überschneiden. Ich brauche auch
diesen Tatsachenkomplex, bei dem sozusagen alle Einzelgegenstände des Spuk-
orts Leben annehmen, umherfliegen, zerbrechen, verschwinden und wieder
auftauchen, Ihnen nicht erst ausführlich zu beschreiben. Das Detail der Phäno-
raenik will ich also nur im Rahmen unserer psychologischen Analyse zur
Sprache bringen.
Wie Sie wissen, neigt diesen Erscheinungen gegenüber die herrschende Ansicht
durchaus einer rein animistischen Deutung zu. Unser zu früh
hinweggeraffter Meister Schrenek-Notzing z.B. vertritt sie in der Form, daß
er auf die Analogie dieser physikalischen Spukvorgänge des Poltergeistes mit
den experimentellen Beobachtungen an physikali&chen Medien \om
l) Aus Annales des sciences psychiques 1892,93 bei Bozzano, a.a.O. 34ff.
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