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632 Zeitschrift für Parapsychologie. 10. Heft. (Oktober 1930.)
der Wackere nun diesseits auf die Butterseite zu fallen. Wird er in offene
Arme stürzen? Um diese Frage beantworten zu können, ist es notwendig,
denjenigen, die seine Mentalität nicht kennen und ihn auf eine Stufe mit
jenen Gegnern stellen, welche die Mitarbeiter von morgen* sein werden, das
Porträt dieses Mannes an Hand einiger offenbar dem Gedächtnis entschwundener
Tatsachen zu zeichnen. Naturgetreu und sine ira!
IL
Noch einmal, um Mißdeutungen vorzubeugen: wissenschaftliche Ueber-
zeugung ist Privatsache. Wenn Herr Hellwig erklärt, er gebe an sich die Möglichkeit
okkulter Vorgänge zu, halte sie sogar nicht einmal für unwahrscheinlich
, er werde sie herzlich begrüßen, wenn es gelänge, ihn zu überzeugen;
es sei nur bis jetzt — d. h. solange er nicht überzeugt sei — noch in keinem
einzigen in der Literatur bekannten Fall der exakte Nachweis gelungen — der
sei eben erst gelungen, wenn e r geruht habe, überzeugt zu sein — so ist dasi
zwar — da Herr Hellwig „die" Literafur kennt — ein ziemlich merkwürdiger
Standpunkt, aber ein Standpunkt, den er, mit einer ganzen Reihe der von ihrer
Unfehlbarkeit ebenso wie von der Dummheit andersdenkender Zeitgenossen
überzeugter Mitmenschen teilt. An sich aber ist dieses Phänomen ebenso wenig
aufregend und entscheidend für die Forschung, als wenn Herr Hellwig, wie so
unzählige andere, eines schönen Tages erklären würde, daß er nunmehr auf
Grund persönlichen Augenscheins aus einem Saulus ein Paulus geworden sei.
Mau würde ihm höchstens zu sagen haben: Warum hast du Tor jahrzehntelang
so erbittert gegen uns gestritten, bevor du etwas von der Sache gesehen und
verstanden hast? Kommst du nun als ein Lernender! und zunächst Schweigender
zu uns, so sollst du uns dennoch willkommen sein. Wir tragen nicht
nach wenn wir seh^n, daß jemand vom Irrtum zur Wahrheit reist, und es soll
mehr Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, denn über
99 Geiechte. Kurz und gut! Die Wahrheit hat einen guten Magen, sie verdaut
die Fanatiker, die Starrköpfe, die Verschrobenen und sogar ihre Feinde. Nur
eines verdaut sie nicht, das sind die Opportunisten und Poseure.
Nicht darum geht die Frage, welchen Standpunkt dieser Hellwig jeweilig
einnimmt, nicht einmal darum, ob er das Format eines Wissenschaftlers hat
o<|er nicht, nicht um die Tatsache, daß er gegen uns gekämpft hat, sondern
einzig und allein darum, in welcher Form, in welcher Gesinnung und in welcher
Absicht er diesen Kampf führte, und wessen man sich infolgedessen seiner zu
gewärtigen hat. Denn es gibt gewisse Grenzen, die man selbst im Affekt nicht
überschreiten darf, will man nicht aus der Liste der satisfaktionsfähigen Kombattanten
gestrichen werden. Ob er diese Grenze überschritten hat, wie es
auch Moll tat, soll im Falle Hellwig untersucht werden, und es muß deshalb
auf eine Reihe von Begebenheiten eingegangen werden, die an sich nicht
weltcrschütternd sind, wie es der ganze Mann nicht ist, die aber durchaus
symptomatischer Natur sind, und darum eine Antwort auf die Frage geben,
ob man sich mit oder ohne Pater peceavi mit ihm an denselben wissenschaftlichen
Tisch setzen kann.
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