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Gericht zur Rede: Er mußte zugeben, die Erinnerung an meine Potsdamer
Dislvussionsausführungen, für die ich mein Manuskript und /ahlreiche Bekannte
als Zeugen hatte, vollkommen verloren zu haben. Sonderbarerweise
konnte Herr Ilellwig auch in seinen damaligen Notizen nichts von meiner
Richtigstellung finden. Auch bei seiner Gattin war dw Erinnerung restlos
geschwunden. Immerhin waren die Motive seines Torbringens" nicht gerade
hübsch zu nennen. Wozu brachte er ungefragt und außerhalb jeglichen Zusammenhangs
mit der Prozeßmaterie überhaupt diesen Fall vor? Doch offensichtlich
nur, um den unbequemen Gegensachversländigen — anstatt sich ihm in
ehrlicher Kontroverse zu stellen — beim Gericht als unseriös zu denunzieren,
sein Gutachten zu entwerten, und sich selber in ein gutes, kritisches Licht
zu setzen Weshalb hatte er überhaupt unter der Maske Hebenswürdigsten
Interesses sich zu der besagten Sitzung von mir1 einladen lassen? Um der
Wahrheit auf den Grund zu gehen, oder um, persönlich Kompromittierendes
gegen Experimentatoren und Versuchspersonen zu finden, sich seiner Frau als
Zeugin zu versichern und das vermeintliche Gefundene auszuposaunen, den
Kampf vom unbequemen Sachlichen auf das rein persönliche Gebiet hinüberzuspielen
?
Trotzdem Ilellwig vor dem Gericht den Verlust seines Erinnerungsvermögens
zugeben mußte, stritt er unmittelbar hinterher in einer Zeitungspolemik
und in einer persönlichen Besprechung ab, irgendwie etwas verfehlt
oder verdrängt zu haben und versuchte dabei noch höchst geschickt, durch suggestive
Ueberrumplung meine Frau auf etwas festzunageln, was mir zu sagen
nicht im Traume eingefallen war. Er hat es natürlich auch niemals für nötig
gehalten, die von ihm in die Welt gesetzte falsche Nachricht irgendwie und,
irgendwo zu dementieren. Immerhin hatte er mich jahrelang leichtfertig und
fälschlich angeschwärzt und mein wissenschaftliches Vnschen zu untergraben
versucht. Wenn er etwas bedauert hat, dann nur dies, daß ihn dieser Bumerang
schließlich selber an den Kopf geflogen war.
Als dann der Bcrnburpcr TIellsehprozeß herankam, hätte Herr Ilellwig
Gelegenheit gehabt, sidh zum ehrlichen Kampf mit mir zu stellen. Ich schrieb
ijpn vorher, daß ihm doch wohl ebenso wie mir daran gelegen sein müsse, >or
Gericht die Klingen mit mir zu kreuzen. Hellwig antwortete, er könne leider
nicht seinen Einfluß dafür einsetzen, daß ich als Sachverständiger zugelassen
werde, es seien bereits genug Sachverständige da. Tatsächlich strebte und wrebte
er mit Händen und Füßen, daß ich vom Gericht nicht zugelassen werden sollte,
was ihm auch — zu seinem Unglück — glückte. Denn diese venig ritterliche
Handlungsweise empörte die anwesenden Journalisten so, daß sie Herrn Ilellwig
ausschmierten, wie er noch nie in seinem Leben ausgeschmiert worden war.
Nach dem Drostprozeß hielt Ilellwig einen Vortrag über den Prozeß
im Vorlragssaal der Mollschen Wohnung. Anstanden!her lud er mich ein,
entweder selbst hinzugehen oder einen Terlreter zu schicken. Da ich, wie er
wissen mußte, mit Moll gänzlich überworfen, nicht selbst hinkommen konnte,
schickte ich, unter gleichzeitiger Benachrichtigung Hellwigs, meine Sekretärin
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