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Kröner: Hellwig ante portas! 641
Urzeugung ein Schwanz gewachsen sei (Anm. d. Verf.: Also ähnlich wie jetzt
dem Antiokkultistenkopf Hellwig durch ein okkultes Wunder der pe.rapsycho-
logische Schwanz nachwächst.), und ließ sich auch durch Bekanntgabe des Ver-
tauschungsmanövers nicht von seiner Entdeckung abbringen. Dieser Arzt ist
später begeisterter Spiritist geworden." Und nun kommt die Pointe. Der
Dichter fährt fort: Diese wahre Geschichte ist zwar nicht Herrn Doktor Kröner
passiert, aber — so schließt er messerscharf — sie hätte ihm sehr gut widerfahren
können. „Denn, mir hat einmal ein Arzt gesagt, der Dr. Kröner als!
jungen Assistenten gekannt hat, er habe ihn schon damals für phantasiebegabt
gehalten." So also, liebe Leser, widerlegt man wissenschaftliches Tatsachenmaterial
. Diese wahrhaft sprühende Fülle von Geist, Logik und Vornehmheit
kennzeichnet die Polemiken eines Potsdamer Landgerichtsdirektors.
Diese Bandwurmgeschichte hat Hellwig der Schweizer Oeffentlichkeit aufzutischen
gewagt, und zwar in einem Zusammenhang, der wiederum einen Eingriff
in ein schwebendes Verfahren und eine Einmischung in die Rechtsprechung
eines fremden Staates bedeutet: Der Schweizer Arzt Dr. Riedel und steine Gelieble
, Fräulein Guala, sind vor mehr als drei Jahren wegen angeblicher Ermordung
der Gattin Dr. Riedels durch Arsen zu zwanzigjährigem Zuchthaus verurteilt
worden. Dieser Fall stellt nach dem übereinstimmenden Urteil aller tiefer und leidenschaftslos
in die Materie Eingedrungenen — darunter das Ehepaar Bernoulli
und Professor Bleuler —, ein eklatantes Affekt- und Fehlurteil dar. Auf der
Suche nach neuem Beweismaterial verfiel man auf ein Experiment mit Frau
Günther-Geffers. Die Hellseherin, die sich damals mit mir auf einer Experi-
mentalreisc befand, wußte nichts von der Existenz dieses Falles und von den
in München eingeleiteten "Verhandlungen. Trotzdem erkrankte sie bereits in
München an den ausgesprochenen Symptomen einer Arsenvergiftung. Daß es
sich hier um eine sogenannte Voreinfüjhlung und nicht um einen gewöhnlichen
Darmkatarrh handelte, ging daraus hervor, daß die ,,Cholerine" des Mediums
von Trancezuständen begleitet war, in welchen sie sich selber als vergiftet bezeichnete
, ferner daraus, daß auf Suggestion die ganzen Symptome bis zum
nächsten Trancezustand verschwanden, um dann sofort wiederzukehren. Zuletzt
nannte die Sensitive sogar den Vornamen des verurteilten Arztes, den keiner
von uns kannte, erklärte ihn für unschuldig an dem Arsentod seiner Frau, die
Selbstmord begangen habe, um sich an ihm zu rächen. Wenn ich also hier von
einer Voreinfühlung sprach, so hatte ich meine triftigen Gründe. Herr Hellwig
brachte *>s fertig, den Sachbestand folgendermaßen zu konfusionieren. Frau
Günther-Geffers habe in München einen Darmkatarrh bekommen, was reisenden
älteren Damen wohl auch sonst begegnen könne. Ich hätte diese Erkrankung
in meiner wilden Begeisterung jedoch kaltlächelnd als eine telepathisch erfühlte
Arsenvergi ftung gedeutet.
Dies in Verbindung mit der Bandwurmgeschichte unter der ebenso fetten
wie geschmackvollen Ueberschrift: „Der telepathische Darmkatarrh", als Versuch
, mich als Gutachter, Frau Günther-Geffers als Versuchsperson lächerlich
zu machen und zu entwerten und so das Wiederaufnahmeverfahren, an dem
zwei Menschenleben hängen, zum Scheitern zu bringen. Alles ad majorem Hell-
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