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Bleuler: Vom Okkultismus und seinen Kritiken. 655
überstellte, auch wenn er dabei riskierte, von der Mehrzahl der Kollegen schief
angesehen zu werden. So erfaßte er als einer der Ersten im deutschen Sprach-
gebiel die neuen Experimente des Hypnotismus in ihrer Tragweite und ihrem
Wesen und bekannte sich dazu, als es noch als „unwissenschaftlich" und fast
ehrenrührig galt, sich mit solchen Sachen abzugeben. Schon damals, vor fast
einem halben Jahrhunderl, hat er bei diesen Studien Beobachtungen gemacht,
die sich auf bekannten Wegen, auch auf den eben entdeckten der Suggestion,
nichl erklären ließen. In der weitem Verfolgung dieser Tatsachen hat er sich
mit der Zeit in okkultistische Studien hineingearbeitet, in denen die Frag'1
nach der wirklichen Existenz parapsychischer Phänomene ihm zur Lebensaufgabe
wurde. Und es ist ihm nach und nach gelungen, die Technik so auszubilden
, daß zur Zeit gültige Einwendungen gegen eine große Anzahl von
Beobachtungen nicht mehr gemacht werden können. Gewiß hat auch er da
und dort — zwar merkwürdig wenig — sich geirrt; aber das ist unvermeidlich
auf einem Wege durch Neuland, wo alle Erforschungsmcthoden zuerst ausgedacht
und ausprobiert werden müssen, und wo man ein Kompromiß
machen muß zwischen den Anforderungen der wissenschaftlichen Kontrolle
und den feinen und unendlich komplizierten Bedürfnissen und Empfindlichkeiten
der menschlichen Seele, und zwar hauptsächlich von deren unbewußtem
Anteil. Viele Leute, die meinen, unsere Naturwissenschaft s<h im zweiten
Dezennium des zwanzigsten Jahrhunderts nach Christi Geburt so weit, daß sie
entscheiden könne, was alles in unserer Welt existieren oder vorgehen dürfe
und was nicht, solche haben von Sehrenck nicht nur wissenschaftlich, sondern
auch an seiner Ehre angegriffen. Vor kurzem nun — leider hat er es\ nichl
mehr erlebt — haben aber genaue Nachprüfungen nach den haupls ichlich von
ihm ausgedachten Methoden die ! Tnangreifbarkeit der physikalischen Phänomene
des Mediums Hudi Schneider bewiesen (siehe später).
Wir verstehen im Folgenden unter Okkultem Begebnisse
, die zur Zeil niemand von <1 e n b e k a n n l e n ^ a t u r -
kräften aus erklären kann - nichts andres. Alle diese Erscheinungen
sind charakterisiert durch ein von der Wissenschaft bisher nicht
berücksichtigtes Verhältnis unserer Psyche zu der xVußenwelt: Diese seh-int de
Psyche auf einem anderen Wege als durch die Sinne zu beeinflussen, aber mit
analoger Wirkung (Wahrnehmung, Vorstellung); umgekehrt scheint die Ps\eh »
auf die Außenwelt auf einem andern Wege als durch die Muskeln zu wirken.
Okkulte Erscheinungen sind: Hellsehen, d. h. Wahrnehmungen, d**»
nicht auf dem gewöhnlichen Wege durch unsere Sinne gehen, also Sehen bei
dichlverbundenen Augen oder in absoluter Dunkelheit oder durch sonst undurchsichtige
Dinge hindurch und dgl. AehnJiches wird auch von andern Sinnen
berichtet, wenn auch s^hr spärlich. Telepathie , Wahrnehmen von
Geschehnisnm seelischen und äußeren, auf beliebige Entfernung, ev. von
England aus in Australien. Spuk, einesteils als die heute seltener an einen
Ort (wo etwas Auffallendes geschehen) gebundene .,Geistererseheinungen', an-
dernteils als mehr an die Person geknüpfte physikalische Phänomene, Klopfen
(,,Poltergeister"), Werfen, Verstellen von Gegenständen usw. Die experimen-
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