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Bleuler: Vom Okkultismus und seinen Kritiken.
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Die Kontroversen üaer das Vorkommen okkulter Phänomene sind nicht ein
erfreuliches, aber für die menschliche Psychologie und speziell für die Frage
der Echtheit physikalisch-okkulter Phänomene ein sehr interessantes Kapitel.
Die Gegner, die sich die Mühe nehmen, gegen die okkultistischen Auffassungen
zu kämpfen, sind nämlich fast alle nicht Skeptiker oder scharfe Kritiker, die
genaue Beweise haben wollen, bevor sie an Dinge glauben, die ihrer Meinung
nach unserer bisherigen Erfahrung direkt widersprechen, sondern schlechthin
Neingläubige; und Glaubensstreitigkeiten sind immer unangenehmer als Diskussionen
über bloße Tatsachen, und dann ganz besonders, wenn dabei eine
Weltanschauung in Betracht kommt. Ich kenne auch keinen Gegner, der sich
so in die Sache hineingearbeitet hätte, daß er nicht ganz schwere Fehler in
der Beweisführung aufwiese.
Unter Dessoirs Führung haben Dr. v. Gulat-Wellenburg, Graf v. Klinkow-
ström und Dr. Rosenbusch ein Buch von 494 Seiten über den physikalischen
Mediumismus geschrieben, das sich mit besonderer Betonung gerade gegen
v. Schrenck wendet, aber hauptsächlich Entlarvungen, wirkliche und angebliche
oder doch für den kritischen Leser nicht bewiesene, ausführlich erzählt,
woraus die Autoren zwar am Schlüsse bescheiden die Folgerung ziehen, der
wissenschaftsgüUige Nachweis der Phänomene des sog. physikalischen Mediumismus
sei bisher restlos gescheitert, aber im Text die Sache so darstellen, daß
alles als Schwindel oder Selbsttäuschung leichtgläubiger Phantasten erwiesen
sei. Die Mühe hätten sie «ich ersparen können, denn daß von d en Medien
rec ht häufig Tricks angewendet werden, wenn man
nicht genau genug kontrollieit, und daß viele angebliche
Medien nichts als Schwindler sind, wußte man von
jeher, und ein großer Teil der Hilfen und Betrügereien ist denn auch von
den Okkultisten selber aufgedeckt worden, was man aus dem Buche nicht merken
könnte. Die einzige Frage ist schließlich eben die, ob
nach Ausscheidung alles Schwindels, alles falsch Aufgefaßten
und des Zweifelhaften ein Rest bleibe, den auf
gewöhnliche Weise zu erklären niemand imstande sei. Eine
einzige einwandfrei beobachtete Tatsache wäre definitiver Beweis, daß es etwas
gibt, das mit unserer Naturerkenntnis nicht zu erklären ist und daß man also
bis auf weiteres mit der Existenz okkulter Erscheinungen ebensogut zu rechnen
hat, wie mit andern bekannten Tatsachen. Als Beispiel eines wirklich wissenschaftlichen
Forschers wird von den genannten Autoren wie von andern der
bekannte Psychologe Henning angeführt, den ein Taschenspieler zuerst
verblüffende Leistungen sehen, dann aber hinter den Trick kommen ließ, und
der nun damit bewiesen haben will, daß es keine okkulten Erscheinungen gibt
und die Okkultisten abnorme Psychopathen sind. Henning sagt aber kein Wort
darüber, inwiefern diese Taschenspielereien mit den Telekinesen vergleichbar
sind; wir werden auch über den Trick nicht unterrichtet ,,aus bestimmten
Gründen ". Er gibt uns also zwei Dinge zum Vergleichen, von denen wir keines
kennen. So wurde auch vor kurzem wieder ein Buch über Taschenspieler
durch einen Psychiater von Ruf den Aerzten empfohlen, weil es die Zweifel
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