http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0712
658 Zeitschrift für Parapsychologie. 11. Heft. (November 1930.)
der nicht an Okkultismus Glaubenden durch Beweise stütze. In Wirklichkeit
hat es gar keine Berührungspunkte mit dem wissenschaftlichen Okkultismus.
Bei Hellsehen und Telepathie kann die gute Treue der meisten
Medien nicht wohl angezweifelt werden. Ein gerichtlich konstatierter Fall ist
folgender: Ein Mann wurde auf einer Reise von Berlin nach Stettin erschossen
und beraubt. Ein Freund war ihm nachgefahren (aus nicht erwähnten Gründen
), sah dann aber auf dem Wege am hellen Tag den Ermordeten an einem
Fenster als tot mit einer Wunde am Kopf und die Wunde mit der Hand bedeckend
. Er erzählte die Vision der Frau de,s Ermordeten, die dann, als ihr Mann
nicht mehr heim kam, den Telepathen als den Mörder verdächtigte und verhaften
ließ. Er blieb 6 Wochen im Untersuchungsgefängnis, aus dem ihn erst die Auffindung
und Verurteilung des wirklichen Mörders befreite.
Man kann auch das Hellsehen experimentell am leichtesten prüfen und
hat es oft getan, und wenn die Berichte darüber nicht irgendwelche kaum denkbare
grobe Fehlei enthalten, muß man aus denselben schließen, daß es ein
Hellsehen g«be. Es sollte ja gar nicht schwer sem, Fehler der Versuchsanordnung
und Täuschungen auszuschließen. Wenn man z. B. dem Medium ein
Buch offen auf den Scheitel legt, dort erst ein bestimmtes Blatt einstellt, und
das Medium dann liest, was auf der offenen, aber von niemandem gekannten
Seite steht, oder wenn man beliebige Schriften oder Sachen in wirklich undurchsichtigen
Umschlägen oder Schachteln anbietet und sie dann doch gelesen
bzw. erkannt werden, so kann doch wohl, wenn man nicht ganz ungeschickt
verfährt, ein Fahler, d. h. eine Erkennung auf dem gewöhnlichen
Sinneswege, nicht in Betracht kommen.
Nun hat man allerdings zwei Ausreden erfunden. Tin zweiten Band von
De^oiis „Okkultismus in l rkundeif* beschreiht Dr. K. Bär wald die intellektuellen
Phänomene und will es als bewiesen hinstellen, daß „sensitive"
Personen auch /. B. durch llolzschachteln hindurch sehen können, und daß
man unwillkürlich lebhaft? Vorstellungen und Gedanken in Sprache umsetze,
die von andern Leuten — - sogar durch W&nde hindurch — gehört und verstanden
werden können. Ob Sehen durch Holz hindurch in einem speziellen
Falle in Betracht kommt, sollte doch leicht zu entscheiden sein, auch wenn
es nur bei besonders Sensitiven vorkommt; aber jedenfalls wäre im speziellen
Fall ein sorgfältiger Bewe s zu leisten, bevor man ein» solche Annahme macht,
die so augenfällig im Widerspruch mit den bekannten Tatsachen zu sein
scheint. Wir kennen ja die Empfindlichkeit unsere/* Sinne und d'e physikalischen
Verhältnisse der Licht- und Schallwellen bei der Durchdringung der
verschiedenen Körper sehr genau und sind uns klar darüber, daß beim regu
lären Sehen nichts anderes in Betracht kommen kann. Sogar Bärwald begegnet
es, die Allmacht der Sen^itivität soweit zu treiben, daß er mit der Wahrnehmung
des Bildchen«» von Gegenständen auf der Sehhaut des Beschauers durch
«inen Dritten rechnet. Die^ wäre nun ein wirklicher Widerspruch zu ganz
einfachen Gesel/en der Optik und eine höchst okkult'1 Erscheinung. Bei unwillkürlichen
Sprechbewegungen vergißt man, daß eo sich nicht nur um da5?
Fehlen der Kehlkopf stimme handelt, sondern auch um qualitative 1 moll-
kommenheiten der Artikulation, wie zum Leberfluß auch genaue Lahoia-
tonums*ersuche nachgewiesen haben (Tnd «ogar bei geschlossenem Munde
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0712