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Bleuler: Vom Okkultismus und seinen Kritiken.
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noch anderes hervor: so sollen die meisten „physikalischen1 Medien merken,
ob und zwischen welchen Personen die Kette unterbrochen wird, ohne daß
sie es mit den Sinnen wahrnehmen können; oder Spukmedien erfüllen oft unausgesprochene
Wünsche oder Befürchtungen anderer ganz prompt.
Am meisten angegriffen sind zur Zeit die physikalischen Experimente
, die von v. Schrenck besonders eingehend an den Brüdern«
Willy und Rudi Schneider studiert worden sind. Ein immer wiederkehrendes
Argument gegen die Echtheit physikalischer Okkultismen bilden die
üblichen Sitzungsbedingurigen. Dabei ist das Verdächtigste und nicht ohne
weiteres Verständliche, daß für gewöhnlich die Ektoplasmen weder berührt
noch mit weißem Licht beleuchtet werden dürfen. Doch gibt es Ausnahmen.
Baron v. Schrenck hat viele Male Ektoplasmen angefaßt; manche sind auch
photographiert worden, wobei allerdings ein Teil derselben der Kritik verständliche
, wenn auch nicht sichere Anhaltspunkte gegeben hat. Dann erschweren
die schwache und einfarbig rote Beleuchtung, der schwarze Vorhang, der
schwarze Teppich, sehr erheblich die Kontrolle mit dem Gesicht; das meist
verlangte Schwatzen oder Singen oder Musizieren während der Sitzung schließe
-das Gehör als Kontrollorgan aus, das Kettebiklen die Hände. Willy hat mit
andern eine Abneigung gegen Blitzphotographien. Es sei also alles so eingerichtet
, um einen Betrug nicht entdecken zu lassen. Aber das kann doch nur
einen Verdacht, nicht einen Beweis begründen. Es sind andere plausible Zusammenhänge
dieser Maßregeln denkbar oder sicher, als daß sie gerade zur
Verschleierung des Betruges erfunden worden sind oder festgehalten werden.
Und nun wäre eben zu beweisen, welche Gründe die in Wirklichkeit ausschlaggebenden
sind. Das Medium kann nicht mit dem direkten Willen Phänomene
produzieren, es muß das Unbewußte (Unterbewußte) agieren lassen. Nun
weiß man, daß in der Nacht, in der Dunkelheit, Affekte und Unbewußtes leichter
zur Wirkung kommen; auch erwartet man abnorme und gruselige Erscheinungen
für gewöhnlich nur im Dunkeln; die Stimmung auch der Zuschauer,
die ein ganz wesentliches Moment der Einstellung des
Mediums bildet, ist eine andere, sehr viel günstigere im Dunkeln als
im Hellen; der Kritiker Vinton wurde geradezu von Gruseln erfaßt. Plaudern
und Musizieren ist ein ausgezeichnetes Ablenkungsmittel, das das Unbewußte
im Sinne Coues von der Kontrolle des bewußten Willens unabhängiger macht.
Die „Kettenbildung", d. h. das Sich-bei-den-lIänden-Fassen der Teilnehmer, ist
nicht eine Erfindung der Okkultisten, sondern von ihnen via Spiritismus aus
den Mesmerischen Auffassungen der zirkulierenden „magnetischen" Kraft
übernommen worden. Schreiben wir Modernen auch der Kette keine direkte
als „magnetisch" zu deutende Wirkung zu, so kann doch nicht geleugnet werden
, daß sie ebenso wie das Heden und namentlich der gemeinsame Gesang ein
Mittel ist, den Affekten der Sitzer eine einheitliche Richtung im gewünschten
Sinne und damit eine einheitliche günstige Wirkung zu geben. Auch ist die
Vorstellung der Kette durch die mehr als hundertjährige Tradition so eng mit
der Vorstellung okkulter Kräfte assoziiert, daß sie als Suggestivmitlei von erheblicher
Energie w»rken muß. ihr Fehlen aber umgekehrt Nichtgelingen sugge-
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