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Bleuler: Vom Okkultismus und seinen Kritiken.
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Besonderes oder etwas Gewöhnliches (d. h. Betrug) seien. Gegenstände fliegen
beim Spuk, ohne sich an die Fall- und Wurfgesetze zu halten, in gerader Linie
durch die Luft; oder sie knicken die Flugbahn plötzlich ab und fallen senkrecht
zu Boden, oder die Flugbahn bildet eine horizontale Kurve; oder manche
Körper sind im Anfang der Flugbahn unsichtbar und sollen sich plötzlich in
der Luft materialisieren; Körper können durch verschlossene Türen und Fenster
dringen. Schwere Körper fallen wie ganz leichte langsam und ohne starken
Aufschlag zu Boden oder treffen Personen, ohne sie zu verletzen; leichte
Körper zeigen das umgekehrte Verhalten. Hunde benehmen sich gegenüber
dem Spuk ganz anders als gegenüber wirklichem Poltern, das möglichst genau
das spukhafte nachmacht. Alle diese Dinge habe ich leider noch nicht selber
gesehen, aber sie sind seit Jahrhunderten in immer der gleichen Form von
Tausenden beobachtet worden, worunter gewiß zu allen Zeilen so kritische
und gescheite Leute wie wir waren. Aber die moderne Aufklärung hat diese
Phänomene bezeichnenderweise nicht seltener gemacht, sie hat nur das Publikum
mit der Betrugshypothese an Stelle der Hexenhypothese befriedigt. So
ist 63 viel leichter zu glauben, daß da etwas Unbekanntes im; Spiel sei, als
daß zu allen Zeiten so viele Leute, auch die mit Amtsgewalt betrauten, sich
durch irgendein halbwüchsiges Mädchen oder einen Buben wochen- und
monatelang hinteis Licht führen ließen. Denn die Akteure solchen Spuks
sind meistens Leute in det Pubertät, worunter gescheite und dumme, moralische
und unmoralische.
Wie die elementarsten Gegenargumente auch von hervorragenden Männern
der Wissenschaft übersehen werden können, wenn es sich um okkulte Probleme
handelt, ein Beispiel: In einer Sitzung mit Willy Schneider, in der nur spärliche
Phänomene zu sehen waren, aber unter anderm der Vorhang sich
mehrfach bewegte und der Zipfel eines auf einem Stühlchen liegenden
Taschentuches sich hob und senkte, kam ein Naturwissenschafter, den ich sehr
hoch schätze, auf die Idee, die Vorhangbewegungen könnten dadurch erzeugt
worden sein, daß das Medium mit den Füßen den Teppich bewegte. Nun
hatte das Medium seine Füße zwischen den Beinen des Kontrolleurs, dessen
Unterschenkel regelmäßig in engem Kontakt mit denen des Mediums sind, so
daß jede Bewegung gespürt worden wräre und ein so ausgiebiges Hinund-
lierschieben der Füße überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Außer den
kontrollierenden Beinen waren aber auch noch die acht Beine der Stühle
des Mediums und des Kontrolleurs auf dem Teppich, so daß die Personen
auch hätten mitbewegt werden müssen. Ferner kann man mit einem Teppich
von einem Punkt aus auf größere Distanz nur ziehen, nicht aber stoßen;
der Vorhang kann also aktiv nur in einer Richtung bewegt werden, hat sich
aber in mehreren bewegt; außerdem bewegten sich gerade in jenem Falle die
Vorhanghälften auch auseinander, d. h. zugleich in entgegengesetzten Richtungen
, für die Teppich-Hypothese etwas ganz Unmögliches. Trotz dieser sechs
Umstände, von denen jeder für sich die „Erklärung** sofort ausschloß, wurde
in der Pause der Teppich an den Boden genagelt — und da^ nach der Pause
keine Phänomene mehr auftraten, behauptete der Kollege, er habe das Me~
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