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untere Rand des Vorhanges nähert sich den Zuschauern, und kommt hoch vom
Boden auf; in einem Folie, den ich gesehen, wurde der Vorhang über seine
Stange hinaufgeworfen, wo er hängenblieb. Vielfach wird auch behauptet,
das Medium bewege den Vorhang durch Blasen, und wenn man etwa einwendet,
daß das Medium den Kopf nicht nach dem Vorhang zu gedreht hat, so heißt es,
man könne auch seitlich blasen. Gewiß. Aber wie kann man von außen einen
Vorhang so anblasen, daß er sich nach außen wölbt und nach außen, fliegt?
Oder wer hat eine solche Kraft und eine solche Menge von Atemluft zur Verfügung
, daß er wohl eine Viertelminute lang einen breiten doppelflügeligen
Vorhang von 21/2 Meter Höhe aus schwerer Seidenserge in der Luft halten, damit
eine Hängelampe verschieben und unter Umständen sogar den Vorhang über
seine Aufhängestange blasen kann? Und dann das Merkwürdige: oft, wenn
der Vorhang gegen die Zuschauer bewegt wird, spüren diese gar nicht einen
entsprechend starken Wind, unter Umständen gar keinen. Dagegen aber kommt
es vor, daß unter dem Vorhang hervor eine eiskalte Luft kommt, wie sie durch
starke Bewegung der Zimmerluft nicht vorgetäuscht werden könnte, und ohne
daß etwa ein Fenster hätte geöffnet werden können. Und wenn ich der berühmte
lebende Helfer hinter dem Vorhang wäre, so wüßte ich, auch wenn
man mich belieHge Maschinen hinter den Vorhang nehmen Jieße, nicht, wie
ich das Segelphänomen, Aufbauschen ohne entsprechenden Luftstrom, hervorbringen
könnte.
Von einem der Verfasser des physikalischen Okkultismus*' wird einmal mit
großem Eifer behauptet, die zu bewegenden Gegenstände seien noch in Reichweile
von Rudis Fuß, und damit soll der Betrug begründet sein. Es müßte
aber noch bewiesen sein, daß Rudi den Fuß erstens zu den Gegenständen brin-
gen konnte und zweitens auch wirklich brachte, und ferner, daß es
möglich ist, mit dem Fuße die Tänze einer Figur aus Pappe in der Luft bis
auf gegen zwei Meter über dem Boden und noch vieles andere zu bewirken.
Oder wie will man überhaupt erklären, daß, wie ich es erlebt habe, ein Grammophon
nicht nur auf Kommando in Gang gesetzt und abgestellt wurde, sondern
plötzlich ein anderes Lied ertönte, was Herausnahme, Umkehrung und Wiedereinsetzung
der Platte nötig machte. So etwas leistet man nicht mit einem Fuß,
kaum mit einer einzigen Hand. Oder wie geht es zu, daß von mehreren Pendeln
unter einem Glaskasten auf Befehl ein beliebiges in Bewegung gesetzt
wird, ein Vorgang, den Prof. Winther gefilmt hat. Viel hat man eine Zeitlang
gefabelt von Verlängerungsstäben, die mit dem Mund dirigiert werden sollten.
Ich möchte den sehen, der mit einem solchen Verlängerungsstab eine Spieluhr
auf Befehl prompt angehen und stille stehen macht oder gar sie aufzieht,
ebenso den, der es nach Hennings Rezept mit einem Haar und ein wenig Wachs,
das unter den Fingernägeln versteckt war, zuwege bringt. Und wer sich klar
macht, daß man trotz allem Durchsuchen noch nie bei einem Medium einen
solchen Stab gefunden hat, und daß Arme und Beine der Medien von zwei Personen
festgehalten und zugleich noch vermittelst Leuchtbändern auch mit dem
Auge kontrolliert werden, der muß solche Erklärungen als kindische Einfall©
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