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Bleuler: Vom Okkultismus und seinen Kritiken.

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wegen noch nicht Entlarvung des Mediums und enthebt uns niemals der Notwendigkeit
, die anderen Phänomene auf ihre Echtheit zu prüfen.

Wenn man weiß, daß die Okkultismen zwar psychische Phänomene sind,
aber nicht direkt mit dem Willen zusammenhängen, sondern mit dem Unbewußten
, das dem Willen unzugänglich und überhaupt vom Standpunkt der bewußten
Intelligenz aus launenhaft, unberechenbar, ja störrisch und negativistisch ist
und bei wenig ungewöhnlichem Zustand sogar beim gesundesten Menschen Strebungen
durchsetzen kann, die dem bewußten Willen nicht entsprechen, so versteht
man auch die Unberechenbarkeit der okkulten Aeußerungen. Wenn unter
irgendwelchen bestimmten Umständen keine überzeugenden Phänomene erscheinen
, heißt es bei den Neingläubigen: „da sieht man, wenn man eine genaue
Kontrolle einführt, dann können sie nichts'*, und das betrachten sie als schlagenden
Beweis., daß die zu andern Zeiten beobachteten Phänomene gefälscht
gewesen seien. Sie können das psychische Experiment nicht von dem chemischen
oder physikalischen unterscheiden, dessen Bedingungen wir meistens
genügend in der Hand haben, um konstante Resultat© zu erwarten. Wie alles
Lebendige kann aber unsere komplizierte und nach den verschiedensten Seiten
empfindliche Seele je nach den Umständen auf scheinbar den gleichen Heiz
in verschiedenen Richtungen reagieren. Schon ungewohnte Situationen vermindern
oder verunmöglichen beim normalen Menschen so oft die Leistungen;
ich erinnere nur an dio Examen Verwirrtheit tüchtiger Leute. Würden wir einen
Goethe ins Laboratorium nehmen, um eine Dichtung zu erhalten, ihm zu verstehen
gebend, wir glauben nicht, daß er den Faust geschrieben habe, er sei ein
gemeiner Betrüger, würden wir ihm seine Kleider nach Spickzetteln untersuchen
, ihn während der ganzen Zeit genau beobachten, ich denke nicht, daß
dann etwas Berühmtes herauskäme. Auch körperliche Fertigkeiten kann man
oft unter abnormen Umständen nicht zeigen. Und nun erst das Unterbewußte,
dessen Zugänge vom bewußten Willen aus wir gar nicht kennen, das dem
Willen nicht folgt wie unsere Glieder. Da ist man nur darauf angewiesen, ihm
Gelegenheit zu geben, sich in einer gewissen Richtung zu betätigen. Mehr
kann man nicht tun; im Gegenteil, wenn der Wille zu sehr „will", so verrammelt
er sich den Weg ganz, wie die Flüssigkeit in der Pumpe sich bei
stärkerem Druck das Ventil verschließt. Die Behauptung von Goue, daß man
sich nur über das Unbewußte in Hypnose bringen könne, und der Wille, wenn
er helfen wolle, nur hindernd sei, ist zum großen Teil richtig.

Seit meiner frühen Kindheit habe ich bis ins Mannesalter himtein beim Ankleiden
und ähnlichen Gelegenheiten viel tausend mal durch starkes Beugen
einer großen Zehe einen Knacks hervorgerufen; das gelang mir aber ebenfalls
Tausende von Malen nicht, und zwar dann, wenn ich vorher daran dachte,
d. h. den Knacks bewußt hervorrufen wollte. Ich hatte auch beim Waschen der
Augengegend, wobei ich, wie ich später konstatierte, reflektorisch die Augen
zudrückte, täglich eine bestimmte Lichterscheinung, aber niemals, wenn ich sie
willkürlich hervorbringen wollte oder sonst beim Waschen daran dachte. Harn
lösen haben wir scheinbar in unserer Gewalt, wenn man aber dem Arzt schnell
eine Portion Wasser geben sollte, so versagt der Mechanismus bei vielen Leuten,
namentlich Knaben. Geburten gehen bei Geisteskranken, die sich nicht darum
kümmern, sehr leicht, und zwar auch dann, wenn ein nicht allzusehr verengtes
Becken bei früheren Geburten die Zange nötig machte.


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