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Mattiesen: Ueber die psychologische Seite des Spuks. 685
Ganz besonders auffallend ist diese örtliche Freizügigkeit des physikalischen
Spuks, seine Unabhängigkeit \on der Nähe des anscheinenden Mediums in dem
bedeutenden, jüngst von Dr. Sünner beschriebenen Fall in der Tauroggemer
Straße hier in Berlin1). Die Phänomene waren die typischen des physikalischen
Spuks, wie: Geworfenwerden, Tanzen und Springen von Gegenständen, Fortziehen
der Bettdecke und Klopfen, und sie waren auch durch Wünsche der
Beobachter oder Musik beeinflußbar, ja kurze Unterredungen durch Klopftöne
scheinen möglich gewesen zu sein. Aber sie waren nicht auf die Wohnung beschränkt
, in der die Eheleute Regulski mit ihrem Töchterchen hausten, an das
sich die Erscheinungen \ermutungsweise zunächst knüpften: sie wurden vielmehr
ergänzt durch verwandte Vorgänge in der Wohnung ihrer Schwägerin in der
Gubener Straße, in derjenigen einer Kusine in der Simon-Dach-Straße, ferner
bei Verwandten in der Krummen Straße in Charlottenburg, in Neukölln, und
selbst in Bromberg. Das Gemeinsame aller dieser Phänomene war, daß sie dem
jüngst verstorbenen Onkel der kleinen Lucie zugeschrieben wurden, dessen
Stimme auch einige Male hörbar gewesen sein soll, wie denn auch andere
Elemente des klassischen Phanlomspuks, Tritte, Atmen und Stöhnen, Berührungen
wie von Händen, kalter Hauch und vielleicht auch sichtbare Erscheinungen
mehrfach beobachtet wurden.
Aehnliche Einzelheilen des haunting aber finden sich auch in den sonstigen
Berichten über Poltergeister. Im Liesenhofener Spukhaus der Johanna P. werden
z. B. gelegentlieh auch „Seufzer" gehört2); inNikolsburg öffnen sich einmal
alle verschlossenen lüren und werden von einem „eiskalten Luftzug mit Heulen
und Sausen" bewegt 3). In Nikolsburg werden einmal merkwürdige Berührungen
, wie von einer zwischen den Beinen sich durchwindenden Katze beobachtet4
). \m seltsamsten aber erinnern an manche klassischen Fälle \onTierspuk
die folgenden Angaben aus der Umgebung der Hilda *Z*vieselbauer und ihrer
Tante Ruzicka. An einer bestimmten Stelle hinter dem Beltgestell der beiden
Frauen tauchte nämlich zeitweilig jede Nacht ein — Hund auf, welcher laut
bellte, heulte, knurrte, kratzte und stampfte, ,,kurz, sich so benahm, wie ein
richtiger Hund". „Ich trete näher", schreibt der Lehrer Wralnik, „und spreche
den Hund in ruhigem Tone an. Als Antwort ertönt auf jedes meiner Worte
ein verstärktes Gebell. „Du knurrst?" Verstärktes Knurren. „Du willst mich
beißen?" Wütendes Gebell, ähnlich dem Angehen eines Hundes ... Das Gebell
und Geheul war so stark, daß es auch in allen übrigen, durch Türen verschlossenen
Räumlichkeiten der Wohnung deutlich zu hören war. Nicht der
geringste Anhaltspunkt für das Zustandekommen dieser Töne ließ sich entdecken
. Daneben ertönte auch ein leises Kratzen wie von wirklichen Hunde-
pfoten. „Du kannst auch kratzen?" Verstärktes Kratzen. „Noch einmal."
Das Kratzen verstärkte sich wieder. Auf meinen Wunsch schlüpfte der Hund
sogar in einen Damenschuh, trampelte mit diesem im Zimmer umher und warf
ihn schließlich Dr. Simsa auf den Kopf. Diese unglaubliche Szene", schließt
n Ztschr. f. Parapsychologie IV (1929) 554tff.
2) v. Schrenck-Notzing, a.a.O. 301.
3) Das. 337. 4) Das. 355
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