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Mattiesen: Ueber die psychologische Seite des Spuks.
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vermachen sollte, unter der Bedingung, daß es in der Obhut der Familie
bleiben, andernfalls aber beerdigt werden sollte. Adams insonderheit erklärte,
er würde auf dieser Bedingung strikt bestehen und im Falle ihrer Verletzung
„Lärm schlagen" und ,,mit seinen Gebeinen Unangenehmes anrichten". Adams
starb in der Tat zuerst, und John W. Kinnaman behielt sein Skelett bis zum
eigenen Tode bei sich, worauf es an seinen Bruder Jakob kam, dann an dessen
Schwager Dr. Lawrence, dann an einen Dr. Jackson, und schließlich nacheinander
an zwei Söhne des Jakob Kinnaman. Während dieses ganzen Zeitraums
verhielten sich die Gebeine des Adams ruhig, s o 1 a n g e die Bedingung
eingehalten wurde; wenn man aber gegen sie verstieß, begannen Störungen
spukiger Art. Während einer Reise des Jakob Kinnaman nach Kalifornien
z. B. wurde das Skelett auf einem Speicher abgestellt und schon in der nächsten
Nacht hörte man schwere und geräuschvolle Schritte auf der Speichertrappe
auf und nieder gehen. Sobald der Onkei, Dr. K., das Skelett in Obhut nahm,
hörte die Störung auf. Als auch dieser schließlich das Skelett in einen entfernten
Winkel des Hauses relegierte, begannen sogleich Lärmstörungen, die
zwei Familien zum Ausziehen zwangen. Erst als Jakob Kinnaman aus Kalifornien
heimkehrte und das Skelett wieder in seinem Arbeitszimmer aufstellte,
zog Ruhe in jenes Spukhaus ein. Und dies wiederholte sich noch! mehrfach
bei andern Gelegenheiten1).
An analogen Beobachtungen bezüglich sonstiger dem Verstorbenen nahestehender
Gegenstände fehlt es nicht. In einem Falle von Lombroso und
de Vesme z. B. begannen die Spukvorgänge, als man einen Koffer öffnete,
welcher Eigentum des Verstorbenen enthielt; in einem andern Fall, als man
Gegenstände anfaßte und auf einen Bodenraum fortschaffte, die einem Verstorbenen
gehört hatten; in einem dritten, als man eine seit einem Todesfall
unbenutzte Stube öffnete2). — Die nächstliegende Annahme für den von kritischen
Zweifeln Unbeschwerten wäre in allen solchen Fällen natürlich die, daß
der Verstorbene — zunächst wenigstens — mit seiner Hinterlassenschaft auf
irgendeine Art in Verbindung verbleibt, soz. ein Auge auf ihr ruhen hat und
bei einschneidenden Veränderungen, die sie betreffen, in Erregung gerit, die
sich dann eben als sein Spuken äußert. Wie anderseits sollten wir einer
solchen Auslegung entgehen? Könnten wir z. B. nicht in einigen Fällen annehmen
, daß das bloße Anrühren, Aufrühren, Bewegen, Schütteln der [unterlassenen
Gegenstände irgendeinen Einfluß quasi-physischer Art freisetze, der
sich in Lärmphänomene umsetze? Ich kann mir nicht denken, wie man diese
Vorstellung konkret gestalten könnte; überdies würde sie z. B. auf einen Fall,
wie den des Kinnaman-Skeletts, keine Anwendung finden. Das Skelett dürfte,
wenn es auf den Bodenraum relegiert war, weniger berührt worden sein, alsi
wenn es in der Wohnstube seiner Besitzer stand: aber das letztere entsprach
einer gestellten Bedingung, also einer erinnerten Vorstellung; das
erstere nicht. Und die Nichtbeachtung dieser Vorstellung allein ent-
0 Journal American S. P. R. 1910, 665 ff.; 1911, 484 ff.
2) Bozzano, a.a.O.221.
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