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Mattiesen: lieber die psychologische Seite des Spuks.
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worauf nichts mehr gehört wurde1). — Das folgende wird von Prof. Perty
erzählt: „Es hatte sich im Bremgartenwald ein junger Angestellter erschossen,
der ein Zimmer in einem von mir gemieteten Hause in der Herrengasse in Bern
innehatte ... Einige Zeit nach dessen Tode hörte man auf der Treppe, die zu
unsern Zimmern führte, zu verschiedenen Stunden des Tages, meist aber des
Abends, ein Wesen die Treppe hinunterlaufen, ohne daß es jemals sichtbar
wurde ... Dieses dauerte einige Wochen, meine Frau und Tochter . .. hörten
es sehr oft, ich nur ein paarmal ... Da erschien eines Tages ein Verwandter
des Selbstmörders, um über manche diesen betreffende \ngelegenheiten mit
meiner Frau zu sprechen, und von diesem Tage an war der Spuk zu Ende2)/'
Haben etwa die Gedanken dieses von seiner Verpflichtung bedrückten Verwandten
den Spuk auf halluzinatorischem Wege erzeugt? Ja, wenn nur eben
aller Spuk halluzinatorisch wäre! Hören Sie also weiter. Herr lliig. der ausgezeichnete
Spukforscher, erzählt von einem im Frühjahr 1912 verstorbenen
Bauern R. in R., der die Gewohnheit gehabt hatte, Geld zu verstecken, um
selbständig über Mittel zu verfügen. Noch auf dem Sterbebett fragte ihn die
Frau nach verstecktem Gelde, er aber verweigerte die Auskunft. Etwa 6 Wochen
nach seinem Tode fing man an, Tritte zu hören, ähnlich denen des Verstorbenen
, Stöhnen und Klagen, die Frau fühlte sich gekniffen, wie der Mann zu
tun gepflegt, Türen öffneten und schlössen sich sehr häufig, und eines Tages
erfolgte auf den Tisch ein so heftiger Schlag, daß ein darauf stehender Kuchen
in die Höhe flog, bei heller Beleuchtung. Nach Verlauf eines Jahres fand die
Mutter in einem Loch in der Zimmerdecke einen Geldbetrag, den der Verstorbene
versteckt hatte. Nach dieser Zeit trat Ruhe ein»). - Waren die geldgierigen
Hinterbliebenen hier die Medien? Auch eine solche Deutung verfängt
nicht in Fällen, wo die Wünsche des Verstorbenen gerade die Beobachter am
wenigsten bedrücken. Podmore selbst, der große Skeptiker, hat einen Fall
mitgeteilt, in welchem zwei Damen, während sie in einer Kirche vor einem
Fenster stehen, in welchem sich ein testamentarisch angeordnetes Glasgemälde
hätte befinden sollen, das aber von den Erben des Stifters nicht in Vuftrag
gegeben worden war — wo also diese beiden Damen plötzlich das Phantom
des Stifters vor sich sehen. Nur die eine hat ihn von Aussehen gekannt und erkennt
das Phantom, die andre sieht es gleichmütig an und hält es für einen
lebenden Fremden, bis es plötzlich verschwindet und sie den Schreck der andern
wahrnimmt, welche weiß, daß sie einen Toten \or sich halle4). E<? isl zu
beachten, daß hier gar nicht ein Gegenstand gegeben ist, an den wir einen
Spuk gebunden denken könnten; daß vielmehr seine mögliche Veranlassung
gerade in dem Fehlen eine«* Gegenstandes liegt, und somit nur in dem Gedanken
an einen solchen, der eigentlich dort hätte sein sollen, wo er
nunmehr fehlt.
3) Bozzano, a.a.O. 132ff. Sehr erwägenswert in diesem Zusammenhang
ist auch der Poltergeist-Fall in Proc. S. P. R. VII 383 ff.
2) M. Perty, Der jetzige Spiritualismus, 316 f.
3) Iiiig, a.a.O. 214 f. *) Journal S. P. R. VI 230.
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