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Lucas: Die Verwendungsmöglichkeit d. Hypnose im Strafprozeß. 697
SS 102 und io3 der Strafprozeßordnung eine Stütze zu finden. Man habe davon
auszugehen, daß die Hypnose eine Durchsuchung des Körpers im Sinne der
genannten Gesetzesbestimmungen sei. Auf Grund richtiger Auslegung der
SS 102 und io3 Str. P. 0. wie auf Grund der allgemeinen Prinzipien des geltenden
deutschen Strafprozesses wird man aber zu dem Ergebnis kommen müssen
, daß eine Hypnotisierung von Angeklagten oder Zeugen, gleichgültig, ob sie
mit oder ohne Zustimmung des Betroffenen erfolgt, nicht zuzulassen ist*)♦
Der Gesetzgeber hat in den SS 102 und io3 Str. P. 0. unter Durchsuchen nur
ein körperliches Durchsuchen verstanden wissen wollen. An die psychischen
und physischen Einflüsse, die die Hypnose auf den Menschen ausübt, hat er
gar nicht gedacht und konnte deshalb niemals unter Durchsuchen etwa auch
ein Finden von Gedanken mittels der Hypnose verstehen2). Nur äußerlich
sichtbare Spuren sollten Gegenstand der Durchsuchung sein. Als Eingriff in
das Recht der persönlichen Freiheit, welches die Reichsverfassung gemäß
Artikel n4 gewährleistet, sind die angegebenen Paragraphen besonders eng
auszulegen. Wenn demnach die Hypnotisierung niemals eine Durchsuchung
im Sinne des Gesetzes sein kann, ist sie es mit der Begründung einer Vernehmung
von Angeklagten oder Zeugen, auch bei deren Eimerständnis 3), für nicht
zulässig zu erachten.
Der Vernehmung des Angeklagten im hypnotischen Zustande stände auch
der Umstand entgegen, daß seine Aussagen gar nicht freiwillig erfolgt wären,
wie das Gesetz es voischieibt4). Die Strafprozeßordnung sieht in S i35 und
2^3 Abs. 2 und 3 die Vernehmung des Angeklagten vor. Dies geschieht besonders
auch deshalb, um dem Angeklagten die Möglichkeit zu geben, daß er die
ihn entlastenden Momente vorträgt. Nach diesen Bestimmungen ist aber kein
Angeklagter gezwungen, sich selbst zu belasten. Vielmehr muß das Gericht
ihm seine Schuld nachweisen, in dem Augenblicke, in welchem man die Hyp-
notisierung des Angeklagten gegen seinen Willen vornehmen würde, wären seine
Aussagen erzwungen und der Richter gemäß S 3£3 Str. G. B. strafbar. Dasselbe
gilt aber auch dann, wenn der Angeklagte sich zu der Hypnotisierung
1) H e b e r I e (wie oben) S. 43 mit gewissen Einschränkungen bei Einwilligung
des Angeklagten, R ü h m 1 s ch, Die Suggestion und das Strafrecht. In
Goltdammers Archiv für Straf recht Band 41, 1893, Orloff, Hypnose und
Suggestion in ihrer Bedeutung für die Rechtspflege im „Gerichtssaal", Bd. 44
und 60, S. 334, mit der Einschränkung, daß die in der Hypnose gemachte Aussage
nicht zuungunsten des Angeklagten verwandt werden dürfte.
2) Selbst die Frage, ob unter § 103 auch Durchsuchungen des nackten Körpers
fallen können, wird auf Grund des Wortlautes dieses Paragraphen, der von
Durchsuchung schlechthin spricht, zwar vom Reichsgericht bejaht, aber in der
Literatur vielfach bestritten« Darüber von Lilienthal, Zeitschrift für die gesamte
Strafrechtswissenschaft, Bd. 7, S. 393, Anm. 160, der anderer Meinung als
das Reichsgericht ist.
3) Ausnahme: Nichtbeeidete Zeugen im Vorverfahren dürfen in der Hypnose
vernommen werden. S. u.
*) H e b e r 1 e , Hypnose und Suggestion im deutschen Strafrecht, München,
S.43, von Lilienthal, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft,
Bd.7, S.304, Moll Der Hypnotismus, Berlin 1924, S.548, Neumeister, Mittelbare
Täterschaft und Hypnotismus, Greifswald 1900, S. 65.
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