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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0760
7U6 Zeitschrift für Parapsychologie. 11. Heft. (November 1930.)

Berufsgeschäften nachging. Auch Lambert in unserer Zeitschrift 1926, S. 208 ff.,
ist auf diesen Fall näher eingegangen, bringt aber nicht all das dramatische Drum
und Dran das für seine Beurteilung wohl nicht gleichgültig ist.

Richard Hoffmann.

Wie ein Journalist über den anderen urteilt.

In Potsdam fand bekanntlich im September die Berufungsverhandlung im
Prozeß Frenzel statt. Zu Beginn desselben widmete die „B. Z. am Mittag" am
Freitag, den 26. September, dem Vorsitzenden, den sie auch im Bilde wiedergab,
folgende reizende Begrüßung:

Der fleißige Richter.

Von Stefan Oroßmann.

Der zweite Prozeß gegen den Amtsvorsteher Frenzel, der in erster Instanz
des Verbrechens der Blutschande schuldig erkannt war, hat gestern begonnen.
Vorgestern hatte sich der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Hellwig, in der
Stille seines Arbeitszimmers an den Schreibtisch gesetzt und ein ausführliches
Schriftsfück ausgearbeitet, das alle möglichen Gründe aufzählt, warum die
Oeffentlichkeit, vor allem aber die Presse, von der Gerichfsveil z\cIirg jus
geschlossen werden muß. Wohlgemerkt, noch ehe die Verhandlung begonnen,
hatte der Herr Vorsitzende die Begründung seiner Ausschlußentscheidung schon
ganz genau fixiert.

Dann kam das eigentlich Unnötige: der Vorsitzende las eine Menge Briefe
vor, bestellte oder nichtbestellte, von sehr sittlichen Seelengesundheitsverbänden
, die alle ihr Mitglied oder ihr Nichtmitglied Hellwig baten, Auswüchse der
Berichterstattung zu verhindern. Hierauf bat der Vorsitzende die erschienenen
Aerzte, Sexualforscher usw. um ihr Gutachten über die juridische Frage des
Ausschlusses der Oeffentlichkeit, im besonderen der Presse. Sodann ließ der
Vorsitzende die Verhandlung unterbrechen, dajnit der Leiter des ersten Frenzel-
prozesses, der benachbarte Landgerichtsdirektor Wermuth herbeigeholt werde
und die Frage beantwortete, ob das Verhalten der Presse das vorige Mal tadelns-
oder lobenswert gewesen sei. Der alte Herr Warmuth schien im ersten Augenblick
etwas erstaunt, derlei Zensuren über die Presse sind ihm in dreißig Jahren
Richtertätigkeit kaum je abverlangt worden, aber schließlich gab er Antwort:
er rügte die Berliner Presse und klopfte der besseren Potsdamer anerkennend
auf die Schulter.

Dann zog sich das Gericht, Schöffen und Berufsrichter, zur Beratung zurück,
die Oeffentlichkeit wurde fahrplangemäß ausgeschlossen. Herr Landgerichtsdirektor
Hellwig zog ein Schriftstück aus dem Busen, eben jene ausführliche
Begründung des Hinauswurfs, die er schon am Vorabend vor der Verhandlung
fleißig aufgesetzt hafte. Er erzählte den Hörern, die noch eine Weile dazubleiben
er bat, alle Beisitzer hätten seiner gestrigen Fleißarbeit zugestimmt. Nein,
dachten wir, was alles möglich ist! Wie außerordentlich ist doch die Voraussicht
des Herrn Landgerichtsdirektors gewesen! Er hat es einen Tag vor der
Verhandlung geahnt, daß ihm nicht nur der beisitzende Zigarrenhändler, sondern
auch die kollegialen Berufsrichter von A bis Z zustimmen werden. Zynisch,
wie wir Zeitungsschreiber sind, fragten wir uns nur, warum denn eigentlich der
Vormittag mit der gar nicht nötigen Ausfragerei der Sexualpathologen und den
Briefen der evangelischen Seelenretter ausgefüllt worden war. Welches Glück
übrigens, welch unerwarteter Zufall, daß der Herr Vorsitzende selbst durch
diese Gutachten von seinem sorglich ausgearbeiteten Konzept nicht abgebracht
worden ist.

Ueber das Problem der Blutschande hatte vor kurzem ein Landgerichtsdirektor
, der sich gelegentlich als Zeitungsschreiber versucht, einen Aufsatz
veröffentlicht. Ich werde seinen Namen nicht verraten. Schon deshalb nicht,
weil er jetzt, sozusagen als einziger Journalist, den Potsdamer Brutschande-
Prozeß mitmachen wird.


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